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Klemens Niermann
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EIN
BISSCHEN MEHR KLEMENS
Pfarrer Klemens Niermann
30. März 1928 ~ 6. Februar 2007
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Lebenslauf - Klemens-Niermann
Klemens Niermann wurde am 30. März 1928 als fünftes von 14 Kindern
in Schermbeck (im katholischen Altschermbeck) geboren und wuchs
in einer stark religiös geprägten Familie auf ("Wir waren eine
brutal katholische Familie"). Er und seine Geschwister haben
damals die katholische Jugend in Altschermbeck geprägt. Der
älteste Bruder war Steyler Missionar in Papua-Neuguinea, eine
Schwester wurde Ordensschwester, eine weitere Pastoralreferentin.
Nach dem Krieg geht er zunächst im benachbarten Dorsten auf
das Gymnasium, macht dann aber 1951 sein Abitur auf dem Gymnasium
in Geldern. Das Theologie-Studium in Münster (beginnend 1951)
und Fribourg (Schweiz) musste er sich in den Semesterferien
mit Arbeiten in der Ziegelei Schermbeck oder unter Tage auf
der Zeche in Bottrop finanzieren.
Schon in jungen Jahren war er gerne allein unterwegs. 1952 fuhr
er allein per Anhalter durch Belgien und Frankreich, unter anderem
nach Lourdes. 1955 pilgerte er allein per Anhalter nach Jerusalem
(über Schweiz, Italien, Griechenland, Syrien und Jordanien)
und war der dritte Deutsche, dem die Einreise nach West-Jerusalem
erlaubt wurde (vermutlich mit Hilfe des späteren Bürgermeisters
Teddy Kollek, der kürzlich verstorben ist).
Im Sommer 1955 hatte Klemens Niermann zum ersten Mal während
eines Gemeindepraktikums Kontakt mit Gemeinden in der damaligen
DDR, in Eisenberg/Thüringen und Meerane/Sachsen - wo später
die Glocken der St.-Michael-Kirche hingeschmuggelt wurden.
Am 16. März 1957 erhielt er in Münster die Priesterweihe - unter
anderem zusammen mit Bernhard Brefeld (später Pfarrer in Hörstel),
Werner Heukamp (pensionierter Pfarrer in Recke), Hubert Kreft
(später Pfarrer in Recke), Johannes Lammers (pensionierter Pfarrer
in Ibbenbüren), August Schepers (später Pfarrer in Hopsten,
pensionierter Pfarrer in Hörstel).
Seine erste Stelle erhielt er Palmsonntag 1957 als Kaplan in
Duisburg (Rheinhausen-Hochemmerich) St. Peter. In der Gemeinde
mit 14 000 Mitgliedern war er zusammen mit zwei weiteren Kaplänen
schwerpunktmäßig für Jugendarbeit zuständig und unterrichtete
in der Sonderschule und in der Volksschule.
Im Januar 1963 wurde er unter dem damaligen Dechant Bernhard
Heufers (1893-1983) Kreisvikar (Kaplan) in Ibbenbüren St. Mauritius.
Er wohnte zunächst an der Roggenkampstraße, dann an der Großen
Straße, später an der Oststraße und zuletzt im Krankenhaus.
1963/64 hat er auf Anregung des damaligen Bischofs Joseph Höffner
das "Theologische Seminar" ins Leben gerufen, das damals jeden
Abend über 200 Mitglieder interessierte und moderne Theologie
nach Ibbenbüren brachte. Auch Bischof Höffner mischte sich einen
Abend zunächst unerkannt unter die Teilnehmer.
Zunächst etwas widerstrebend (er wollte eigentlich in die Mission
nach Südafrika) übernahm er Ostern 1965 eine frei werdende Stelle
als Religionslehrer an den Berufsschulen des Kreises Tecklenburg.
Gleichzeitig wurde er Subsidiar an St. Michael. Im selben Jahr
wurde er auch Bezirksbeauftragter für den Religionsunterricht
an den Berufsbildenden Schulen des Kreises Tecklenburg. 1968
wurde er zum Berufsschulpfarrer ernannt. Viele Jahre war er
Vertrauenslehrer. 1970 wurde er zwar Subsidiar in St. Mauritius,
blieb aber weitgehend in St. Michael tätig, weil die Gemeinde
dort keinen Kaplan hatte und er dem damaligen Pfarrer Hermann
Peperhove helfen wollte. Er gab viele Kurse für Jugendliche,
organisierte Schulendtage und hielt Vorträge auch außerhalb
des Bistums Münster. 1972 qualifizierte er sich zum Meditationsleiter.
Aus dieser Zeit stammte auch sein Hobby des Blumensteckens (Ikebana).
1983 wurde er nach der Versetzung des Krankenhausseelsorgers
auf Anregung der Seelsorgekonferenz zusätzlich Rektor der Hauskapelle
am St.-Elisabeth-Hospital und damit auch zunächst alleiniger
Krankenhauspfarrer. Etwa eineinhalb Jahre später kam Schwester
Michaela als hauptverantwortliche Krankenhausseelsorgerin dazu.
Nach einer Bypassoperation am Herzen wurde Klemens Niermann
1988 mit sechzig Jahren als Berufsschulpfarrer pensioniert und
auf dem Papier Vicarius Cooperator mit dem Titel Pfarrer in
St. Mauritius. Faktisch blieb er Krankenhauspfarrer.
Klemens Niermann starb am Dienstagmittag, dem 6. Februar 2007
in seiner Wohnung im St.-Elisabeth-Hospital in Ibbenbüren.
Nach den Kontakten in die damalige DDR hatte Klemens Niermann
zunächst Beziehungen in die Tschechoslowakei, insbesondere auch
zum Bischof von Tschernosek, zu dem er auch Hilfsgelder des
Bistums mitnehmen konnte ("Das war natürlich streng verboten,
aber ich hatte immer gute Verstecke im Auto, und die haben auch
immer untersucht, aber nie was gefunden"). Auch zwei oder drei
PKW von Klemens Niermann fanden dort einen neuen Besitzer. Anfang
der 70er Jahre kamen dann die Kontakte nach Stettin zustande.
Dort landeten Autos, Geld, Baumaterial, Kirchenbänke und eine
Orgel. Außerdem sind dort die Lampen und die Lautsprecheranlage
von St. Mauritius.
Über den damaligen Geschäftsführer des SKF Stefan Ottmann wurden
die Kontakte mit Minsk/Weißrussland begonnen.
Am 25. März 1977 wurde Klemens Niermann bei dem Versuch, die
Verlobte des Regisseurs Einar Schleef über die Grenze zu schmuggeln,
in Ostberlin verhaftet. Zuvor hatte er bereits Einar Schleef
die Flucht aus der DDR über die Tschechoslowakei und Wien ermöglicht
und finanziert. Einar Schleef (1944-2001) war Schriftsteller
und Regisseur. Die österreichische Schriftstellerin Elfriede
Jelinek urteilte in einem Nachruf: "Es hat in Deutschland nur
zwei Genies gegeben: Im Westen Fassbinder, im Osten Schleef."
Er arbeitete beim Schauspiel Frankfurt und war lange Zeit am
Berliner Ensemble, auch in Düsseldorf und Wien. Es gibt zahlreiche
Stücke, Hörspiele und Aufführungen von ihm, die mit zahlreichen
Preisen ausgezeichnet wurden. Klemens Niermann hat ihn 2001
in seiner Heimatstadt Sangerhausen beerdigt. Die Flucht der
Verlobten von Einar Schleef fiel auf, da ein Telefongespräch
von Ibbenbüren nach Ostberlin abgehört worden war. In Neustrelitz
bei Neubrandenburg war Klemens Niermann sechs Wochen lang in
einem Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit in strengster
Einzelhaft und wurde dann am 5. Mai 1977 vor dem Gericht in
Neubrandenburg wegen erwiesener Fluchthilfe zu dreieinhalb Jahren
Gefängnis verurteilt. Nach drei Monaten Haft im Rummelsburger
Gefängnis in Ostberlin wurde er vom Bistum Münster bzw. der
Bundesrepublik Deutschland freigekauft.
Über die Berufsschule hatte Klemens Niermann immer schon Kontakt
mit türkischen Familien, denen er vielfältig helfen konnte.
Mitte der siebziger Jahre regte er mit die Gründung des "Türkisch-Islamischen
Kulturvereins" an und half bei der Vermittlung der ersten Räumlichkeiten
für eine Moschee, zunächst an der Albert-Schweitzer-Grundschule.
Er konnte die katholischen Gemeinden und das Bistum Münster
mit ins Boot holen, die damals die Teppiche für den Gebetsraum
stifteten. Auch bei der Errichtung der Moschee an der Ledder
Straße und des muslimischen Teils auf dem Hauptfriedhof hat
er mitgeholfen.
Ein Anliegen war ihm immer auch die Erinnerung an die jüdische
Geschichte Ibbenbürens.
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Im November wird der
Platz zwischen Caritas und Rathaus nach ihm benannt: Klemens
Niermann, vor fünf Jahren verstorbener Krankenhauspfarrer, hat
vielen Menschen geholfen. 1977 geriet er in DDR-Haft, weil er
versucht hatte, eine junge Frau zu schleusen. Davon handelt
diese fünfteilige IVZ-Serie.
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Gabriele Gerecke und Fluchthelfer Klemens
Niermann direkt nach der Festnahme am Grenzübergang Marienborn.
Das Bild stammt aus der Stasi-Akte des Ibbenbürener Pfarrers.
Der Stempel BStU steht für Bundesbeauftragter für Stasi-Unterlagen. |
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Ibbenbüren. Am Freitag,
25. März 1977, um 20.35 Uhr, schnappte die Falle zu. Der Grenzübergang
Helmstedt-Marienborn war eine große Fläche mit ruckligen Betonplatten.
DDR-Grenzer blickten aus Wellblechcontainern auf die Autoschlange,
die sich im Transitverkehr aus Berlin in Richtung Westen bewegte.
Und die mit den üblichen Schikanen gebremst wurde. Einer von
ihnen in steingrauer Uniform winkte den Audi 60 mit dem Kennzeichen
ST-D 219 an die Seite.
Am Steuer: Klemens Niermann, Berufsschullehrer und katholischer
Pfarrer aus Ibbenbüren. Im Kofferraum: Gabriele Gerecke, DDR-Bürgerin
aus Berlin-Ost. Sie war auf der Flucht in den Westen. In die
Freiheit. Die Entfernung zur Staatsgrenze, weist das Verhaftungsprotokoll
penibel aus: 1000 Meter.
Nach Klemens Niermann wird im November der Platz zwischen Caritas
und Polizeiinspektion in Ibbenbüren benannt. Der ehemalige Krankenhauspfarrer
starb am 6. Februar 2007. Der Alt-Schermbecker ist vielen Ibbenbürener
als ein "Gesinnungstäter" bekannt, einer der aus tiefstem katholischen
Glauben heraus Nächstenliebe lebte. Vorsicht war nicht seine
Sache. Angst auch nicht.
Die Geschichte der Fluchthilfe, die den Pfarrer fünf Tage vor
seinem 49. Geburtstag ins DDR-Gefängnis brachte, spricht darüber
Bände. Für das "Verbrechen" verurteilte ihn das Neustrelitzer
Kreisgericht am 5. Mai 1977: drei Jahre und sechs Monate. Abzusitzen
im Ost-Gefängnis Rummelsburg.
Über Klemens Niermann gibt es eine Stasi-Akte. Der allgegenwärtige
Staatssicherheitsdienst der DDR hatte den Pfarrer bei seiner
Reise in die Deutsche Demokratische Republik auf Schritt und
Tritt verfolgt. Alle Details auf Hunderten Seiten, zwischen
zwei Pappdeckeln. Es ist das Dokument einer idealistischen Freundschafts-Tat,
einer west-östlichen Liebe und eines krakenartigen Schnüffelstaates.
Gleich zu Beginn ein Schwarz-Weiß-Foto. "Die Beschuldigten Niermann
und Gerecke vor dem Schleusungsfahrzeug", schrieb der Ermittler
darunter. Im Hintergrund der geöffnete Kofferraum, in dem sich
Gabriele Gerecke, damals gerade 30, gezwängt hatte. Ein Staubsaugerschlauch
führte von dort in den Innenraum des Wagens. Für die Luftzufuhr.
Den soll, erfährt man später, Pfarrer Niermann für zehn Mark
in einem Berliner Hotel gekauft haben.
Die beiden wirken perplex, Niermann eher skeptisch, Gerecke
eher schuldbewusst. Sie müssen ahnen, was sie erwartet. Die
Ibbenbürener erfahren erst sechs Tage später aus der IVZ, dass
der beliebte Seelsorger Klemens Niermann verhaftet wurde. Pfarrer
Leonhard Rüster schreibt danach sofort an die Ständige Vertretung
der Deutschen Demokratischen Republik in Bonn: Der Inhaftierte
sei wegen seines sozialen Einsatzes überall geschätzt, versucht
er Milde zu erwirken: "Bei arm oder reich, jung oder alt, kirchlich
oder unkirchlich." Wie andere Dokumente landet dieser Brief
in Niermanns Stasi-Akte. Gewirkt hat er nicht.
IVZ: 24.10.2012 Pastor Niermann half Regisseur Einar Schleef
aus dem Osten zu fliehen Kennengelernt hatten sich Regisseur
Einar Schleef und Pastor Niermann aus Ibbenbüren 1965 auf dem
Autobahnkreuz Halle/Magdeburg. Der Pastor half Schleef, in den
Westen zu fliehen. Der Versuch, dessen Freundin zu schleusen,
ging schief.
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Einar Schleef und Gabriele Gerecke 1978 nach
Gereckes Entlassung aus der DDR-Haft.
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Ibbenbüren. Elfriede
Jellinek, die österreichische Nobelpreisträgerin, hat einmal
gesagt, in Deutschland gebe es zwei Regie-Genies. Rainer M.
Faßbinder im Westen und Einar Schleef im Osten. Dass der Ibbenbürener
Pfarrer Klemens Niermann im März 1977 als Fluchthelfer und Devisenschmuggler
in die Untersuchungshaftanstalt Neustrelitz der DDR-Volkspolizei
geriet, verdankte er seiner Freundschaft zu dem preisgekrönten
Schriftsteller, Bühnenbildner und Regisseur.
Denn Gabriele Gerecke, die Frau, die Klemens Niermann im Audi-Kofferraum
über die Grenze holen wollte, war Schleefs Freundin. Der Künstler
lebte gerade für zwei Monate in der Wohnung Niermanns in Ibbenbüren,
so wie viele andere Menschen, die der Pfarrer im Lauf der Jahre
bei sich einquartierte. "Manche abenteuerliche Gestalt", erinnerte
sich sein Nachbar Walter Beermann von der Oststraße, "brachte
er spät im Aufzug mit hoch". (Vater von Mathias Franke)Schon
mal ließ er Obdachlose wochenlang in seinem Bett schlafen. Er
quartierte sich dann in der Badewanne ein.
Kennengelernt hatten sich der Theatermann und der Pastor 1965
auf dem Autobahnkreuz Halle/Magdeburg in der DDR. Schleef, 21,
trampte. "Ich hielt seinen Wagen an. Er sagte einen Satz: Das
ist verboten", erinnert er sich in seinem Tagebuch. Niermann
ließ den jungen Mann trotzdem mitfahren, scherte vor einer Kontrolle
der Volkspolizei aus, setzte ihn in Magdeburg ab und gab ihm
zwei Flaschen Wein mit.
Verbote - dazu hatte der Pfarrer, der aus einer erzkatholischen
Schermbecker Familie mit 14 Kindern stammte, seine Privatmeinung.
Er stellte viele infrage. Einmal pilgerte er zu Fuß nach Lourdes.
Vor dem Ziel aß er einen Apfel. Dann habe er darüber nachgedacht,
dass er zur Kommunion nüchtern zu erscheinen habe, erinnert
er sich in einem Interview: "Also habe ich noch einen Apfel
gegessen." Zur Messe ging er trotzdem. Für Schleef war dieser
fremde Pfarrer eine Stütze, ein moralischer Halt, später auch
ein verklärtes Idol. Als der renitente DDR-Mensch von der Hochschule
flog, stand Niermann plötzlich vor seiner Tür, 3000 Ostmark
in der Hand. Schleef: "Ohne die hätte ich es nicht überstanden."
Niermann hatte viele Kontakte zu Kirchen im Ostblock, überbrachte
häufig Geld, Bücher und Hilfsgüter. Er half Schleef später,
über Prag und Wien in den Westen zu fliehen. 1977 kam der Künstler
auf der Arbeitssuche nach Ibbenbüren. Niermann brachte ihn in
seiner Wohnung unter, die beiden diskutierten ausgiebig über
religiöse Fragen. Aber Schleef klagt auch darüber, dass er seine
Freundin in Ostberlin zurückgelassen habe. Da fasste Nierman
einen seiner Spontan-Entschlüsse. "Lächelnd, dünnlippig, buschige
Augenbrauen, Stirn zerfurcht, eben ein Mann, nicht eine Memme
wie ich", schildert Schleef den Pfarrer, der dann an einem Morgen
im März in sein Auto stieg. "Wir werden das Kind schon schaukeln",
sagte er, "ich hole Gabi." Was Niermann erst später erfuhr:
Einar Schleef hatte die Reise bei den Eltern Gereckes in Berlin
telefonisch angekündigt. Wenn auch verklausuliert. Die Stasi
lauschte mit. Der Audi aus Ibbenbüren wurde observiert. DDR-Spitzel
lagen auf der Lauer. "Ja", erinnert sich Niermann Jahre danach,
"die waren auf mich fixiert."
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IVZ: 25.10.2012
Als sein Audi das "VP-Grenzgebiet" (Volksrepublik) passierte,
schnappte die Falle zu. Denn die Stasi beschattete den Ibbenbürener
Pfarrer Klemens Niermann, als er versuchte, die Lebensgefährtin
von Regisseur Einar Schleef in den Westen zu schleusen.
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Am Grenzübergang Helmstedt-Marienborn schnappt
die Falle zu. Pfarrer Klemens Niermann kommt in Haft.
Foto: Tom Bayer/Fotolia
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Ibbenbüren.
Geheime Mission: In der Zeit des Kalten Krieges nutzten katholische
Priester oft Ostblock-Reisen, um Geld, Bücher oder Medikamente
zu schmuggeln. Klemens Niermann hatte zahlreiche Kontakte in die
DDR. 1955 hatte er ein Praktikum im thüringischen Eisenberg absolviert.
Damals schummelte er zum Beispiel zwei Glocken der St.-Michael-Kirche
über die Grenze: In den Einfuhrpapieren waren sie 65 und 55 Zentimeter
hoch. Bei der Ausfahrt zeigte der Pfarrer den Zöllnern zwei kleine
Glöckchen. Er hatte zwei Kommata versetzt: auf 6,5 und 5,5 Zentimeter.
Immer ging es gut. Häufig war der Pfarrer aus Ibbenbüren ohne
Gepäckkontrolle über die Transitstrecke von Berlin in den Westen
gefahren. Nie waren die Geldbündel aufgefallen, die er für Gemeinden
in der DDR oder der Tschechoslowakei versteckt hatte. So glaubte
er auch im März 1977 durchzukommen, als er die Freundin Einar
Schleefs in den Westen holen wollte |
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Klemens Niermann |
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Ibbenbüren. Elfriede
Jellinek, die österreichische Nobelpreisträgerin, hat einmal
gesagt, in Deutschland gebe es zwei Regie-Genies. Rainer M.
Faßbinder im Westen und Einar Schleef im Osten. Dass der Ibbenbürener
Pfarrer Klemens Niermann im März 1977 als Fluchthelfer und Devisenschmuggler
in die Untersuchungshaftanstalt Neustrelitz der DDR-Volkspolizei
geriet, verdankte er seiner Freundschaft zu dem preisgekrönten
Schriftsteller, Bühnenbildner und Regisseur.
Denn Gabriele Gerecke, die Frau, die Klemens Niermann im Audi-Kofferraum
über die Grenze holen wollte, war Schleefs Freundin. Der Künstler
lebte gerade für zwei Monate in der Wohnung Niermanns in Ibbenbüren,
so wie viele andere Menschen, die der Pfarrer im Lauf der Jahre
bei sich einquartierte. "Manche abenteuerliche Gestalt", erinnerte
sich sein Nachbar Walter Beermann von der Oststraße, "brachte
er spät im Aufzug mit hoch". (Vater von Mathias Franke)Schon
mal ließ er Obdachlose wochenlang in seinem Bett schlafen. Er
quartierte sich dann in der Badewanne ein.
Kennengelernt hatten sich der Theatermann und der Pastor 1965
auf dem Autobahnkreuz Halle/Magdeburg in der DDR. Schleef, 21,
trampte. "Ich hielt seinen Wagen an. Er sagte einen Satz: Das
ist verboten", erinnert er sich in seinem Tagebuch. Niermann
ließ den jungen Mann trotzdem mitfahren, scherte vor einer Kontrolle
der Volkspolizei aus, setzte ihn in Magdeburg ab und gab ihm
zwei Flaschen Wein mit.
Verbote - dazu hatte der Pfarrer, der aus einer erzkatholischen
Schermbecker Familie mit 14 Kindern stammte, seine Privatmeinung.
Er stellte viele infrage. Einmal pilgerte er zu Fuß nach Lourdes.
Vor dem Ziel aß er einen Apfel. Dann habe er darüber nachgedacht,
dass er zur Kommunion nüchtern zu erscheinen habe, erinnert
er sich in einem Interview: "Also habe ich noch einen Apfel
gegessen." Zur Messe ging er trotzdem. Für Schleef war dieser
fremde Pfarrer eine Stütze, ein moralischer Halt, später auch
ein verklärtes Idol. Als der renitente DDR-Mensch von der Hochschule
flog, stand Niermann plötzlich vor seiner Tür, 3000 Ostmark
in der Hand. Schleef: "Ohne die hätte ich es nicht überstanden."
Niermann hatte viele Kontakte zu Kirchen im Ostblock, überbrachte
häufig Geld, Bücher und Hilfsgüter. Er half Schleef später,
über Prag und Wien in den Westen zu fliehen. 1977 kam der Künstler
auf der Arbeitssuche nach Ibbenbüren. Niermann brachte ihn in
seiner Wohnung unter, die beiden diskutierten ausgiebig über
religiöse Fragen. Aber Schleef klagt auch darüber, dass er seine
Freundin in Ostberlin zurückgelassen habe. Da fasste Nierman
einen seiner Spontan-Entschlüsse. "Lächelnd, dünnlippig, buschige
Augenbrauen, Stirn zerfurcht, eben ein Mann, nicht eine Memme
wie ich", schildert Schleef den Pfarrer, der dann an einem Morgen
im März in sein Auto stieg. "Wir werden das Kind schon schaukeln",
sagte er, "ich hole Gabi." Was Niermann erst später erfuhr:
Einar Schleef hatte die Reise bei den Eltern Gereckes in Berlin
telefonisch angekündigt. Wenn auch verklausuliert. Die Stasi
lauschte mit. Der Audi aus Ibbenbüren wurde observiert. DDR-Spitzel
lagen auf der Lauer. "Ja", erinnert sich Niermann Jahre danach,
"die waren auf mich fixiert."
Ibbenbüren.
Geheime Mission: In der Zeit des Kalten Krieges nutzten katholische
Priester oft Ostblock-Reisen, um Geld, Bücher oder Medikamente
zu schmuggeln. Klemens Niermann hatte zahlreiche Kontakte in
die DDR. 1955 hatte er ein Praktikum im thüringischen Eisenberg
absolviert. Damals schummelte er zum Beispiel zwei Glocken der
St.-Michael-Kirche über die Grenze: In den Einfuhrpapieren waren
sie 65 und 55 Zentimeter hoch. Bei der Ausfahrt zeigte der Pfarrer
den Zöllnern zwei kleine Glöckchen. Er hatte zwei Kommata versetzt:
auf 6,5 und 5,5 Zentimeter.
Immer ging es gut. Häufig war der Pfarrer aus Ibbenbüren ohne
Gepäckkontrolle über die Transitstrecke von Berlin in den Westen
gefahren. Nie waren die Geldbündel aufgefallen, die er für Gemeinden
in der DDR oder der Tschechoslowakei versteckt hatte. So glaubte
er auch im März 1977 durchzukommen, als er die Freundin Einar
Schleefs in den Westen holen wollte.
Am 24. März war er nach Berlin gefahren. Abends überquerte er
mit einem Tagesvisum den Mauer-Checkpoint zu Ostberlin und besuchte
Gabriele Gerecke in der Wohnung ihrer Eltern. Schleef hatte
ihn angekündigt, telefonisch. Ein Fehler, die Staatssicherheit
(Stasi) lauschte mit. Niermann stand unter Beobachtung, als
er am anderen Morgen 12 000 Ostmark von Gereckes Eltern erhielt:
der Spargroschen für die Zukunft im Westen. Er versteckte die
Summe unter dem Lenkrad seines Audi 60.
Als es ernst wurde mit der Flucht, folgte ihm die Stasi. Minutiös
nachzulesen in seiner Akte: "Kontrollbeobachtung 4140/77". Auf
der "Raststätte Michendorf, Berliner Ring, km 91,2" wird der
weiße Audi mit dem Kennzeichen ST - D 219 um 17.25 Uhr unter
"operative Beobachtung" gestellt.
Wenig später fährt ein weißer Trabi mit rotem Dach auf den Parkplatz.
Auf dem Beifahrersitz Gabriele Gerecke, am Steuer ihr Bruder
Jörg. Man geht grußlos aneinander vorbei, kauft Zigaretten im
Intershop. Der Wechsel erfolgt rasch, Niermann übernimmt den
Koffer von Gerecke, sie folgt ihm im Abstand von zehn, 20 Metern.
Dann fahren sie los. Um 19.30 Uhr, protokolliert der beobachtende
Stasi-Oberstleutnant H., fährt der Ibbenbürener Pkw auf einen
Parkplatz bei Barleben. Niermann öffnet den Kofferraum, Gerecke
kriecht gebückt um das Auto herum, legt sich in den Gepäckraum.
Bei der Weiterfahrt, so der Stasi-Bericht, "fuhr der Pkw langsamer,
um den Schlaglöchern auf der Autobahn auszuweichen". 20.03 Uhr
passiert das Fahrzeug das "VP-Grenzgebiet". Dort schnappt die
Falle zu.
Klemens Niermann war ein Einzelkämpfer. Konzepte, Pläne, Organisation,
so taxierten seine einstigen Kollegen Johannes Lammers und Bernhard
Honsel in einem Interview, waren nicht seine Sache. Bevor er
nach Berlin fuhr, hatte er Pfarrer Leonhard Rüster von St. Michael
nur gesagt: "Ich glaube, das wird eine schwierige Sache." Mehr
nicht.
Nun sitzt in Niermanns Wohnung der Regisseur Einar Schleef und
bangt. Zwei Tage hört er nichts von seinem Helfer. Er ist sicher,
es musste etwas passiert sein. Schleef ruft im Generalvikariat
in Münster an, hilflos und aufgeregt. Wenig später erfahren
Ibbenbürens Pfarrer, dass ihr Kollege verhaftet wurde.
Nach der Festnahme am Grenzübergang Marienborn landet Klemens
Niermann im Stasi-Untersuchungsgefängnis Neustrelitz. Die Vorwürfe:
Versuchte Ausschleusung, ungesetzlicher Grenzübertritt.
Zeitlebens soziales Engagement Klemens Niermann (1928- 2007)
wurde in Schermbeck geboren. Er war als Berufsschullehrer und
Krankenhauspfarrer in Ibbenbüren tätig. Niermann hat sich zeitlebens
sozial engagiert. Er hat Gemeinden in Osteuropa unterstützt
und den Dialog mit Muslimen in Ibbenbüren in Gang gesetzt. Nach
ihm wird im November der Platz zwischen Caritas und Rathaus
benannt. 1977 geriet er in DDR-Haft, weil er versuchte, eine
Frau über die Zonengrenze zu schleusen. Davon handelt diese
fünfteilige Serie. Das Material haben Dechant Martin Weber und
andere Freunde Niermanns zusammengetragen.
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IVZ: 26.10.2012
Pfarrer Niermann saß in den Stasi-Knästen Neustrelitz und
Rummelsburg Der Ibbenbürener Pfarrer Klemens Niermann ist bei
dem Versuch, die Freundin von Regisseur Einar Schleef in den
Westen zu schleusen erwischt worden. Dafür musste er lange Zeit
in den Stasi-Knästen Neustrelitz und Rummelsburg sitzen.
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Das ehemalige Zuchthaus Neustrelitz: Angela
Worgull (Betrieb für Bau und Liegenschaften Mecklenburg-Vorpommern)
zeigt im Jahr 2008 das Gelände. Hier saß Pfarrer Klemens Niermann
1977 ein, ehe er verurteilt wurde.
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Ibbenbüren. Beihilfe
zur Flucht, Devisenvergehen - das Kreisgericht Neustrelitz entschied
am 5. Mai 1977 "im Namen des Volkes": Drei Jahre und sechs Monate
Haft für den "Religionslehrer" Klemens Niermann.
Vorausgegangen waren sechs Wochen strengster Einzelhaft für
den Ibbenbürener Pfarrer im Stasi-Untersuchungsgefängnis in
Neustrelitz. Und Verhöre, in denen Niermann vorgerechnet wurde,
wie oft er in der Tschechoslowakei gewesen war. Man legte ihm
Listen mit Namen vor. Er sollte anstreichen, wen er davon kannte.
"Ich habe gelogen", sagte er im Jahr 1996 in einem Interview,
"was das Zeug hielt."
Niermann hatte viel Geld in den Osten geschmuggelt, aber nur
in einem Fall konnte die Stasi ihm etwas nachweisen. Da hatte
er Devisen für ein evangelisches Bildungshaus in der Märkischen
Schweiz transportiert, das von einem evangelischen Pfarrerpaar
geleitet wurde. Die Frau war in Ibbenbüren zur Schule gegangen.
Das DDR-Gefängnis war kein West-Gefängnis", sagte er später.
Nach dem Urteil wurde er ins Gefängnis Rummelsburg verlegt,
in dem in den 60er- und 70er-Jahren einige Hundert Westdeutsche
einsaßen, darunter viele Fluchthelfer.
Nach der Isolation landete er nun in einer Zelle mit 30 Männern.
Die Toilette war in der Ecke. Abends gab es 45 Minuten klassische
Musik, Mozart, Beethoven, Bach. Einmal im Monat auch Beat. "Gute
Leute waren das", lobte er seine Mithäftlinge.
Manchmal bot der Pfarrer in einer abgetrennten Ecke Meditations-übungen
an und erzählte Märchen. Zu Pfingsten wünschten sich die Mitgefangenen
eine Predigt. Niermann hielt Gottesdienst, der Inhalt von Westpaketen
wurde verteilt. "Das war das richtige Abendmahl", sagte er.
Viele Häftlinge saßen hier jahrelang. Doch Klemens Niermann
wurde freigekauft. Nach drei Monaten Diplomatie zwischen den
beiden deutschen Staaten und dem Bistum Münster verlegte man
den Häftling Nr. 1789 in die Berliner Stasizentrale. Wieder
folgten Verhöre. Eines Morgens warf man ihm seine Zivilkleidung
in die Zelle: "Sie werden heute entlassen."
Im münsterischen Generalvikariat galt der Pfarrer seither als
der teuerste Priester der Diözese. Obwohl: Das Kaufgeld gab
es vom Staat zurück.
Die Haft hatte an dem 49-Jährigen gezehrt. Als ihn der Theatermann
Einar Schleef, dessen Freundin Niermann aus der DDR schleusen
wollte, später im Taxi abholte, notierte er: "Klemens ist fertig."
Niermann wird über die Vorfälle wenig reden. In der Zeitung
steht nur eine dürre Meldung. Reporter empfängt er nicht. In
der Zeit des Kalten Krieges will man die dünnen Pfade der Diplomatie
zwischen den beiden deutschen Staaten nicht zuschütten.
Der Pfarrer fliegt erst einmal nach Indien zu Mutter Teresa.
Er will bei ihr arbeiten, Menschen helfen. Doch die später seliggesprochene
Friedensnobelpreisträgerin schickt ihn zurück in die Heimat:
Indien sei überall, vor allem vor seiner Haustür.
Als Klemens Niermann nach der wohl schlimmsten Reise seines
Lebens (1977) vor seiner Haustür steht (Oststr. 4 ?), passen
die Schlüssel nicht mehr. Das Landeskriminalamt hat sie ausgewechselt.
Man war sich sicher, dass die Stasi bei ihm eingebrochen ist.
Spitzel gebe es überall, hieß es, auch in Ibbenbüren. Ein Verdacht,
der sich später in den Stasi-Akten bestätigt.
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IVZ: 28.10.2012 - Niermann stand noch
bis in die 1980er Jahre im Visier der Stasi Auch nachdem der
Ibbenbürener Pfarrer Klemens Niermann, der vom ehemaligen DDR-Regime
in den Knast geschickt wurde, freigekauft war, hatte die Stasi
ihn weiter im Visier. Seine Akte wird unter dem Namen "Emanuel"
ab Oktober 1978 weiter geführt.
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Ein Justizvollzugsbeamter auf dem Weg
in eine Zelle
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In dem Gefängnisses Rummelsburg bei Berlin.
saß Klemens Niermann in H
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Ibbenbüren.
"Wieso tut so einer (Klemens) so was?" Gabriele Gerecke hat
sich das tausend Mal gefragt, als sie im Gefängnis saß. Die
30-jährige DDR-Lehrerin war am 25. März 1977 mit Klemens Niermann
verhaftet worden. Sie wollte aus der DDR fliehen. Sie lag im
Kofferraum seines Wagens. Gerecke wurde wegen Republikflucht
verurteilt, befand sich noch in Haft, als der Ibbenbürener Pfarrer
längst von seinem Bischof freigekauft war.
Als Niermann 70 Jahre wurde, hatte die langjährige Lebensgefährtin
des Regisseurs Einar Schleef eine Antwort auf ihre Frage: "Weil
ich noch nie jemanden kennengelernt habe, der sein Priestertum
so ernst genommen hat, er sucht sich immer das Schwerste aus."
Bei den Verhandlungen mit der DDR-Regierung über die Freilassung
von Klemens Niermann ging es auch um die Frau, die er in den
Westen holen wollte. Der Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Vogel war
dabei im Geschäft. Er war Organisator des ersten Agentenausschusses
im Kalten Krieg und Unterhändler der DDR beim sogenannten Häftlingsfreikauf.
Weihnachten 1977 versprach Vogel, stehe sie auf der Austauschliste.
"Die Preise", sagte Niermann dem Regisseur Schleef am Telefon,
"sind gestiegen".
Niermann stand noch bis in die 80er-Jahre im Visier des Staatssicherheitsdienstes
der DDR. Seine Akte wird unter dem Namen "Emanuel" ab Oktober
1978 weiter geführt und er soll als IMF gewonnen werden. Die
Stasi erhofft sich von ihm Aufklärung über "feindlich-klerikale
Kräfte der katholischen Kirche". (IMF steht für Informeller
Mitarbeiter mit Feindverbindung ins Operationsgebiet).
Bis 1984 liefert ein IM "Schwalbe" regelmäßig Berichte über
den Pfarrer aus Ibbenbüren. Offenbar ist er der Ost-Anwalt,
der ihn bei Gericht vertreten hat. "Schwalbe" berichtet allerdings
ziemlich unbedeutende Dinge, so dass die Akte geschlossen wird.
Der "Kandidat", heißt es zur Begründung, sei "unehrlich". Der
IM Schwalbe müsse überprüft werden.
Klemens Niermann hatte über Jahre den Kontakt mit seinem Ost-Anwalt
gepflegt. Einmal, und das ist typisch für den Pastor, bat er
ihn, seinen Stasi-Vernehmern und der Wachmannschaft im Gefängnis
Weihnachtsgeschenke zu bringen. Daraus wurde allerdings nichts.
Wie der Ibbenbürener Pastoralreferent Hermann Poggemann berichtet,
habe Niermann seinem Stasi-Beschatter später die Sterbesakramente
gebracht. Auch am Grab von Einar Schleef im Jahr 2001 spricht
Pfarrer Niermann aus Ibbenbüren. "Wer bin ich eigentlich", sei
die ewige Frage des Künstlers gewesen, sagte Niermann laut Bericht
der Berliner Zeitung.
Einar Schleef, der Niermann 1965 beim Trampen in der DDR kennengelernt
hatte, wusste kurz vor seinem Tod eine Antwort: "Dass sich meine
Arbeiten veränderten, dass sich ihr tragischer, religiöser Charakter
immer mehr durchsetzte, ist nicht nur gelebte Biografie, sondern
Ausdruck einer Begegnung vor 30 Jahren, die für Fahrer und Tramp
nicht folgenlos blieb."
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IVZ: 10.11.2012
Klemens-Niermann-Platz offiziell eröffnet
Mit einem großen Lichtermeer ist am Samstagabend der der Klemens-Niermann-Platz
eingeweiht worden. Zur Eröffnung kamen trotz Regenwetters Hunderte
Besucher.
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Mit einem Lichtermeer aus 1300 Kerzen ist
im Rahmen der Aktion Eine Million Sterne für Kenias Straßenkinder
in Ibbenbüren der Klemens-Niermann-Platz eingeweiht worden.
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Mit einem großen Lichtermeer
ist am Samstagabend der ehemalige Ibbenbürener Clemensplatz
in Klemens-Niermann-Platz umbenannt worden. Im Rahmen der Aktion
"Eine Million Sterne" der Caritas leuchteten auf dem Platz zwischen
Rathaus und Caritasgebäude 1300 Kerzen. Sie zeigten die Umrisse
des Kreuzes, des Halbmondes und des Davidssterns als Symbol
für die drei großen monotheistischen Religionen, die sich alle
auf Abraham berufen.
Bürgermeister Heinz Steingröver enthüllte das Schild im Beisein
Hunderter Gäste, die die feierliche Atmosphäre genossen. "Katholischer
Priester in Ibbenbüren (1963 - 2007)", steht unter dem Straßenschild,
"Brückenbauer zwischen Armen und Reichen, zwischen Juden, Christen
und Muslimen." "Dem habe ich nichts hinzuzufügen", sagte Steingröver
anerkennend. Zuvor hatten Weggefährten des Krankenhauspfarrers,
der 2007 starb, Lobreden auf Niermann gehalten und vom Umgang
mit ihm berichtet. Dechant Martin Weber nannte Niermann einen
"heiligmäßigen Mann".
Die Aktion Eine Million Sterne will aufmerksam machen auf Not
und Leid in der Welt. Konkret dreht sich das Engagement um Straßenkinder
in Kenia, die von den gesammelten Spenden unterstützt werden
sollen. Auch für eine Freizeit benachteiligter Ibbenbürener
ist das Geld teilweise gedacht.
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Begegnungen eines Evangelischen Pfarrers mit Klemens
Niermann von Pastor Paul
Klemens gehört von Anfang an bis heute zu meinem Leben.
Als ich 1975 meinen Dienst in Ibbenbüren begann, gehörte alsbald
zu meinen Aufgaben die Erteilung von Religionsunterricht in
der Berufsschule. Und da lernte ich Klemens kennen. Unvergesslich
der Einstieg. Im Wirrwarr der Klassen war ich im verkehrten
Raum gelandet und begann meinen Unterricht. Da öffnete sich
die Tür und Klemens stand da. Er war sichtlich erfreut über
meine Gegenwart und machte keine Anstalten, mich aus der Klasse
zu bugsieren. Vielmehr rief er lachend in die Klasse: "War Jesus
evangelisch oder katholisch?" Damit hatte er die Brücke geschlagen,
die uns bis heute verbunden hat. Es ist die gelebte Jesus-Nachfolge,
die sein Leben bestimmt hat. So hat er sein Haus allen geöffnet,
die in Not waren und ein Dach über dem Kopf brauchten. Viele
von den Obdachlosen waren auch mir vertraut und zu manchem habe
ich bis heute Kontakt. Einer von ihnen ist Peter. Immer wieder
ist er bei Klemens eingekehrt, und dann hat er mir eines Tages
erzählt, wie er mit Klemens zusammen in Münster war. Klemens
hatte gerade vom Bischof 20.000,- DM für die rote Kirche in
Minsk erhalten. Für weitere Besorgungen wollte er das Geld nicht
bei sich behalten. Also hat er es Peter in die Hand gedrückt
und gesagt hat: "Du, halt mal!" Dieses Vertrauen hat Peter tief
beeindruckt. " Ich hätte mit dem Geld abhauen können, aber ich
habe es nicht getan. Ein solches Vertrauen konnte ich ja nicht
enttäuschen!" So ist Peter, wenn er denn bei Klemens war, zu
seinem Mitarbeiter und auch zu einem Helfer in seinen Gottesdiensten
geworden. Für mich gab es unendlich viele Gelegenheiten im ökumenischen
Miteinander, wo wir uns achten und schätzen gelernt haben und
wo ein Stück Freundschaft gewachsen ist. Und dabei sind wir
auch auf eine überraschende Spur gestoßen. Als ich im September
2006 als Wanderer und Pilger den Athos in Nordostgriechenland
besucht habe und am Ende beim Mönch Panteleimon landete, da
wurde diese Spur lebendig. Panteleimon ist aus einer einflussreichen
Berufslaufbahn in Deutschland ausgestiegen und lebt in einem
Kellion des Klosters Chiliandar an der Westküste des Athos.
Da ist Klemens zur Feier seines 75. Geburtstags gelandet.
Es war die gelebte Jesus-Nachfolge, die Panteleimon und Klemens
trotz aller Unterschiedlichkeit von Anfang an miteinander verbunden
hat. Als ich von Panteleimon den diesjährigen Weihnachtsrundbrief
erhielt und darauf antwortete, habe ich erzählt, dass Klemens
schwer erkrankt sei. Bald darauf rief Panteleimon bei mir an
und erkundigte sich nach Klemens, trug mir Grüße auf sagte mir,
dass Klemens in der täglichen Fürbitte seiner Gottesdienste
seinen festen Platz habe. Und wenig später erhielt ich dann
noch eine Karte, auf der Panteleimon unter anderem schreibt:
"Die Krankheit von Klemens berührt mich sehr - Gott prüft ihn
noch einmal und läutert ihn - gebe Er, dass unser lieber Freund
und Bruder wenig leiden muss und bald am himmlischen Altar seinen
Priesterdienst tun darf." An dem Morgen, an dem ich Klemens
diese Grüße überbracht habe, war er erstaunlich aufnahmebereit.
Sprechen war so gut wie gar nicht möglich. Als ich ihm diese
Worte vorgelesen hatte, lachte er und gleichzeitig kamen uns
beiden die Tränen. Und so haben wir dann auch bewusst voneinander
Abschied genommen. Dabei habe ich die Geschichte gelesen, in
der Jesus seinen Jüngern im Sturm auf dem Meer begegnet. Und
so habe ich ihm diese Zusage des Auferstandenen sagen dürfen,
die uns als christliche Gemeinde über alle Grenzen hinweg miteinander
verbindet: Seid getrost, ich bin's, fürchtet euch nicht! ( Mt
14,27) Als ich dann im Interview aus dem Jahre 1996 las, wie
Klemens sein Leben mit genau dieser Zusage verbunden wusste,
da dachte ich: Die Übereinstimmung ist oft genug weitreichender,
als wir es wissen. Die Gemeinschaft des gekreuzigten und auferstandenen
Christus am Tisch des Herrn gemeinsam zu feiern war für ihn
kein Problem, auch wenn er sagt, er sei "brutal katholisch".
Reinhard Paul
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Bürgermeister Heinz Steingröver zur Einweihung des Klemens-Niermann-Platzes
Klemens Niermann, nun ist es schon über 5 Jahre her, dass Klemens
Niermann gestorben ist. Ich erinnere mich noch gut an den Trauerzug
und den Gottesdienst in der Mauritius-Kirche, mit dem die Menschen
in Ibbenbüren sich verabschiedet haben von einem ungewöhnlichen
Menschen. Ungewöhnlich hilfsbereit, ungewöhnlich frei von Allüren,
ungewöhnlich frei von einer Priesterrolle in der Soutane. Er
wurde nicht vergessen. Ein Antrag im Rat auf Benennung zeigt
das. Dabei ist es in Ibbenbüren wenig üblich, Straßen oder Plätze
nach Mitbürgern zu benennen. Eine Stadt, das sind Häuser, Straßen,
Geschäfte, eine Stadt, das sind aber vor allem die Menschen,
denn erst sie füllen eine Stadt mit Leben, sie geben der Stadt
Gesichter. Klemens Niermann hat viele Jahre in Ibbenbüren gelebt.
Er war einer von uns, aber er war ein ganz besonderer Mensch
und Bürger, er hat der Stadt ein ganz besonderes Gesicht gegeben.
Er war als gläubiger Mensch überzeugend. Er war als Mitmensch
ungewöhnlich liebenswert. Er war ein Ansprechpartner für viele.
Er war ein Brückenbauer. Ich bin ihm oft begegnet, habe oft
mit ihm gesprochen. Immer wieder zum Beispiel, wenn er mit Vertretern
der türkisch-islamischen Gemeinde bei mir war. Wir benennen
diesen Platz nach einem ungewöhnlichen Menschen, der trotzdem
ganz einfach war. Ich erinnere mich an seine Fröhlichkeit. Ich
erinnere mich an seinen Humor. Ich erinnere mich an einen Spruch
an seiner Wohnung im Krankenhaus: Der liebe Gott sieht alles
- aber er verpetzt dich nicht.
Ich möchte danken für seine Hilfsbereitschaft. Er wies keinen
ab, der seine Hilfe brauchte, er begab sich auch selbst in Gefahr,
um anderen zu helfen. Viele konnte er trösten. Ich möchte danken
dafür, dass wir ihn als Mitbürger haben durften. Die Stadt ist
ohne ihn ärmer. Er wird Ibbenbüren fehlen. Wir können ihn nicht
ersetzen. Immer hat er sich für den Frieden, für Verständigung
eingesetzt, daran soll diese Namensgebung erinnern.
Heinz Steingröver
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Zur Einweihung "Klemens-Niermann-Platz" am 10. November 2012
in Ibbenbüren
von Martin Weber
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Um es gleich vorweg zu sagen: Ich halte
Klemens Niermann für einen heiligmäßigen Mann. Ich weiß, dass
das eine starke Beschreibung ist. Ich weiß auch, dass Viele "heilig"
in dieser konkreten Sichtweise von Klemens Niermann nicht definieren
würden. Oder dass dann auch viele andere "heilig" sind und wir
noch mehr Plätze benennen müssten. Ich weiß auch, dass es Leute
gibt, denen diese - wie sie sagen - "Glorifizierung" von Klemens
Niermann zuwider ist. Und trotzdem: Ich habe meine Erfahrungen
mit Klemens. Ich habe ihn erlebt bei einer Krankensalbung im Krankenhaus.
Er konnte mit-leiden und gleich-zeitig Mut machen, mit ruhiger
Stimme und wachen Augen, ohne Floskeln, mit Hand und Fuß, beim
Segnen ganz nah mit Handauf-legung. Er hat auch mir geholfen,
dieses Sakrament besser zu verstehen. Ich habe ihn erfahren bei
der Feier der Eucharistie. Wenn er für die Seelsorgekonferenz
- also für die hauptamtlichen Seelsorge-rinnen und Seelsorger
- eine Messe vorbereitet hatte, war das wie Weihnachten: aufwendig
sinnlich mit Bildern, Symbolen, Blumen und Weihrauch. Man wurde
gleichsam hineingezogen in das Mysterium und mit einem großen
Gefühl von Gemeinschaft untereinander und mit Gott wieder auf
den Weg geschickt. Das steckte an und war fruchtbar. Im Krankenhaus
versammelte er so eine illustre Gemeinde aus der ganzen Stadt
um sich, um zu beten und sich gemeinsam für andere einzusetzen:
sei es im Krankenhaus auf den Stationen mit der Krankenkommunion,
sei es für die sozialen Projekte, für die er oft Motor und Kristallisationspunkt
war. Ich habe ihn erfahren bei einem Hilfstransport nach Minsk.
Da musste er sich unbedingt ein paar Kilometer hinter das Steuer
des LKW setzen - wahrscheinlich ohne den passenden Führerschein
dazu... Manchmal brach dabei kurz so eine gewisse Eitelkeit auf
- wie sie vielleicht jeder Mensch in sich hat. Er wußte durchaus
auch, wie er mit dem, was er tat, auf andere wirkte. Aber dann
konnte er auch darüber und über sich lächeln. Und wenn man dann
sah, wie er angezogen war und welche Autos er fuhr und wie er
eingerichtet war und immer für andere pleite war, dann spürte
man auch, wie er eigentlich immer ein demütiger Mensch sein wollte.
Ich habe noch seine Worte im Ohr: |
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"Aber ich hab mir oft überlegt: Wie
würde Jesus jetzt hier an meiner Stelle in Ibbenbüren handeln?
Und deshalb muss ich das tun. Ich denke, er wird keinen Menschen
verurteilen (...). Ich hab mich immer als jemand gefühlt, der
durch die Straßen geht, in die Schule geht, durch das Krankenhaus
geht und der etwas von der Person Jesu zu vermitteln hat. Nicht
aufdringlich, schon gar nicht beherrschend, eher dienend, denn
wir sind nicht berufen, die Welt zu beherrschen." Ich könnte noch
viele andere persönliche Erfahrungen und Beispiele nennen. Noch
wichtiger und überzeugender sind für mich aber die Bilder von
ihm, die ich in anderen Menschen gleichsam wider- gespiegelt bekommen
habe, oder die ich aus vielen Berichten und Anekdoten anderer
Menschen heraus höre. Lesen Sie zum Beispiel noch einmal im anonymisierten
Kondolenzbuch im Internet nach. Da erfährt man nicht nur etwas
Authentisches von Klemens Niermann, sondern auch von den Menschen
hier aus unserer Stadt. Auf der ihm eigenen Art zu leben und zu
arbeiten hat er Netzwerke von Menschen geschaffen, die quer durch
alle Schichten und Religionen und Überzeugungen gehen und immer
noch erlebbar in Ibbenbüren sind - auch im Sinne von: Jetzt erst
recht für Klemens! Klemens Niermann hat für viele Menschen die
Erinnerung an eine andere Welt wach gehalten, an eine Welt tiefer
und grenzenloser Mitmenschlichkeit. Er vermittelte: Du bist nicht
alleine! Du kannst Hilfe und Unterstützung bekommen, wenn du nicht
mehr weiter weißt; du kannst helfen und Verantwortung übernehmen,
wenn es dir besser geht als anderen. Und überhaupt:
Du bist wichtig, egal was du hast und was du glaubst! Ich bin
dem Rat der Stadt Ibbenbüren und dem Bürgermeister dankbar, dass
sie diesen kleinen, eher unscheinbaren Platz in "Klemens-Niermann-Platz"
umbenannt haben. Viele wussten bis dahin gar nicht, dass das hier
ein Platz ist - der auch schon einen Namen hatte. Ich stelle mir
vor, dass in den nächsten Jahren ab und zu wieder eine Lehrerin
ihre Schüler(innen) los schickt mit der Aufgabe: Findet heraus,
wer dieser Klemens Niermann war. Und vielleicht stehen sie dann
staunend vor dem, was sie zusammengetragen haben - und bekomme
neue Ideen, was alles möglich ist. Und eine letzte Anregung noch.
Klemens Niermann hatte viele Menschen guten Willens um sich versammelt,
die mit ihm zusammen etwas verändert und getan haben. Vielleicht
kann ja gerade dieser Platz hier um eine Stele oder eine Tafel
ergänzt werden, oder um einen Baum mit Plaketten, wie gestern
am Kepler-Gymnasium, auf dem die Namen vieler anderer Ibbenbürener
stehen, die sich um ihre Mitmenschen in Nöten gekümmert haben
oder sich immer noch kümmern. Der "Klemens-Niermann-Platz" gleichsam
als Sammel-Platz für Menschen mit Ideen und Initiativen für ein
(noch) besseres und menschenwürdigeres Ibbenbüren. |
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Segenswort über Feuer und Kerzen
Wir entzünden jetzt viele Kerzen und machen kräftig Licht in der
Dunkelheit. Die Dunkelheit steht heute Abend für Not, Armut und
Einsamkeit, für Alleinsein und Ausgeschlossensein. Das Licht und
die Kerzen stehen für Möglichkeiten der Hilfe und unseren Willen
zur Veränderung von ungerechten und unerträglichen Lebenssituationen.
Guter Gott, segne die Menschen, die sich für andere und eine bessere
Welt einsetzen. Gib uns dazu neue Ideen und Mut und Zivilcourage,
um Vorhaben auch umzusetzen. Erleuchte uns und lass uns selbst
Licht für andere sein. Darum bitten wir durch Christus, unseren
Herrn. Amen |
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Selcuc Özdemir zur Einweihung
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Sehr geehrte Mitglieder der Ratsfraktionen Sehr geehrte Vertreter
der
Stadt Ibbenbüren Sehr geehrte Vertreter der Presse Meine sehr
verehrten Damen und Herren, Liebe Freunde
Sozialarbeiter des Begegnungszentrums zu Ihnen ein paar Worte
über einen hervorragenden Freund und Wegbegleiter, sprechen:
Wir haben unserem Freund und Wegbegleiter, einen gemeinsamen
Freund verloren. Wir haben uns damals von Herrn Pastor Clemens
Niermann verabschiedet. Bruder Clemens Niermann hat für uns
und mit uns eine schwierige Schwelle überschritten. Er hat von
Anfang an die Geschicke der Ditib-Gemeinde Ibbenbüren begleitet.
Er hat damals die Kontakte mit der Verwaltung und auch mit den
Kirchen hergestellt. Er war von Anfang an dabei: beim Einzug
der Gemeinde in die Kellerräume der Albert-Schweitzer-Grundschule
und auch beim Erwerb des Hauses Ledder Strasse 14. Er war bei
der gesamten Gestaltung und dem Umbau des Hauses dabei. Auf
ihn war immer Verlass. Er war bei allen muslimischen Festen
immer dabei und brachte sogar als Geste bei den religiösen Festen
Bonbons mit. Das haben wir als eine sehr angenehme Geste empfunden
in einem fremden Land und wir sind ihm dankbar, dass er damals
den Grundstein für einen friedlichen Islam in Ibbenbüren gelegt
hat, damit wir uns hier wohl fühlen als ein Teil dieser Gesellschaft.
Ich danke Clemens Niermann in Namen der Ditib-Gemeinde und auch
in Namen aller Muslime für manches gutes Wort, für ein Lächeln,
für eine aufmunternde Geste und auch für seine Hilfstaten. Jede
und jeder von Ihnen wird wohl solch einen Dank aussprechen können.
Wir haben Bruder Klemens erlebt als einen Menschen, der für
uns Brücken gebaut hat zu der einheimischen Gesellschaft. Denn
es war für uns damals noch schwieriger, mit den Einheimischen
ins Gespräch zu kommen und unsere Nöte und Sorgen zu erklären.
Clemens hat für uns die Brücke übernommen. Er hat als sogenannte
Brücke viel Last von uns genommen. Dafür möchten wir uns beim
Bruder Clemens bedanken. Wir sagen Dank dem ALLAH, dass er uns
erlaubt hat, einen ganz besonderen Menschen kennen gelernt zu
haben und wir mit seiner Hilfe viele Schwierigkeiten überwunden
zu haben. Heute wollen wir ihn für seine Taten ehren und diesen
Platz nach ihm benennen. Wir können es nur vom ganzen Herzen
begrüßen und werden Bruder Klemens immer in unseren Herzen ehren.
Selcuc Özdemir
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Aktion Eine Million Sterne von Caritas International
am 10.11.2012
Mit mehr als 1.300 Kerzen wollen wir uns daran beteiligen
und auf der Rasenfläche vor dem Caritasverband ein Symbol zum
Leuchten bringen, das uns an Klemens Niermann erinnert. Mit
der Aktion werben wir um Solidarität für Menschen in Not - hier
und weltweit. Wir sammeln zum einen für Straßenkinder in Kenia,
die auf Müllbergen leben müssen - für die Jüngsten von ihnen
sollen Bildungsmöglichkeiten geschaffen werden - frei nach dem
Motto:
Mit Bildung aus der Armenspirale. - Hier vor Ort führen
wir die Aktion "Sterne für Mutter und Kind" durch. Wir wollen
Familien mit geringem Einkommen eine Woche "Auszeit" in einer
Ferienfreizeit bieten - um neue Kontakte knüpfen zu können und
um einmal aus dem Alltag heraus zu kommen. Denn: Armut macht
krank - und hier ist nicht nur materielle Armut gemeint. Christian
Schauerte, Organist der Ev. Kirchengemeinde, der Caritaschor
caritakt und die Percussionband Beat it aus der Don-Bosco-Förderschule
Recke-Espel werden der Aktion einen akustischen Rahmen geben.
Auch für das leibliche Wohl ist gesorgt. Wir freuen uns auf
Ihr Kommen! Pfarrer Stefan Notz, Vorsitzender des Caritasverbandes;
Detlev Becker, Geschäftsführer
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
gerne habe ich die Schirmherrschaft für die Aktion Eine Million
Sterne des Caritasverbandes Tecklenburger Land e.V. übernommen.
Es freut mich besonders, dass im Rahmen dieser Aktion der Platz
zwischen Rathaus, Polizei, Familienbildungsstätte und Caritasverband
offiziell zum Klemens-Niermann-Platz umbenannt wird. Klemens
Niermann ist vielen von uns noch in guter Erinnerung. Er war
Brückenbauer zwischen den Religionen der Juden, Muslimen und
Christen. In seiner Art einmalig, setzte er sich für arme Menschen
ein. Man konnte mit ihm anecken - er nahm kein Blatt vor den
Mund - aber letztendlich ging es ihm nie um sich selbst, sondern
er war immer für andere da. So hat er nicht nur bei seinen Schülerinnen
und Schülern in der Berufsschule und bei Menschen, mit denen
er als Krankenhaus-seelsorger in Kontakt kam, sondern auch bei
vielen anderen Menschen hier in Ibbenbüren einen bleibenden
Eindruck hinterlassen. Ich freue mich, wenn wir uns am 10. November
begegnen und uns gemeinsam, im Licht der vielen Kerzen von Eine
Million Sterne, an Klemens Niermann erinnern.
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Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, gerne habe ich
die Schirmherrschaft für die Aktion Eine Million Sterne des Caritasverbandes
Tecklenburger Land e.V. übernommen. Es freut mich besonders, dass
im Rahmen dieser Aktion der Platz zwischen Rathaus, Polizei, Familienbildungsstätte
und Caritasverband offiziell zum Klemens-Niermann-Platz umbenannt
wird. Klemens Niermann ist vielen von uns noch in guter Erinnerung.
Er war Brückenbauer zwischen den Religionen der Juden, Muslimen
und Christen. In seiner Art einmalig, setzte er sich für arme
Menschen ein. Man konnte mit ihm anecken - er nahm kein Blatt
vor den Mund - aber letztendlich ging es ihm nie um sich selbst,
sondern er war immer für andere da. So hat er nicht nur bei seinen
Schülerinnen und Schülern in der Berufsschule und bei Menschen,
mit denen er als Krankenhaus-seelsorger in Kontakt kam, sondern
auch bei vielen anderen Menschen hier in Ibbenbüren einen bleibenden
Eindruck hinterlassen. Ich freue mich, wenn wir uns am 10. November
begegnen und uns gemeinsam, im Licht der vielen Kerzen von Eine
Million Sterne, an Klemens Niermann erinnern
Ihr Heinz Steingröver, Bürgermeister Schirmherr der Aktion °Eine
Million Sterne"
Der neue "Klemens-Niermann-Platz" ist die Umbenennung des alten
"Klemensplatzes" und liegt zwischen der Alten Münsterstraße und
der Klosterstraße, zwischen Caritasverband/Familienbildungsstätte
und Polizei/Stadtverwaltung. Informationen zum alten Klemensplatz
recherchierte Werner Suer in der IVZ vom 31.03.2007 . Der Namensgeber
hieß Clemens Bispinck (1846-1918) und war Besitzer der Textilfabrik
Sweering an der Groner Allee. Während der Nazi-Zeit hieß der Platz
"Horst-Wessel-Platz"
Caritas International |
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"Alle ein wenig mehr Klemens sein"
Mehr als 1000 Menschen nahmen gestern Abschied von Pfarrer
Niermann -ck/ok- Ibbenbüren.
In einer bewegenden Trauerfeier haben gestern Mittag mehr als
1000 Menschen aus Ibbenbüren und Umgebung Abschied von Pfarrer
Klemens Niermann genommen. Nach der rund zweistündigen Eucharistiefeier
in der St.-Mauritius-Kirche begleitete die große Trauergemeinde
den Sarg zum Zentralfriedhof an der Nordstraße. Dort ruht nun
Klemens Niermann, ein Mann, den viele Menschen mit tiefer Dankbarkeit
und größtem Respekt für sein Wirken, für sein besonderes Engagement
in Erinnerung behalten werden. Während der Eucharistiefeier
in der St. Mauritius Kirche blickten zahlreiche Wegbegleiter
auf das Leben von Klemens Niermann zurück, der 44 seiner 50
Priesterjahre in Ibbenbüren verbracht hat. Sie erinnerten sich
an einen außergewöhnlichen Pfarrer, nimmermüde, im Einsatz in
der Krankenhausseelsorge, für Menschen, die nicht auf der Sonnenseite
des Lebens standen und für den Ausgleich zwischen den Religionen.
Klemens Niermann - ein Welt-Priester und Menschen-Freund. Schwester
Michaela, langjährige Wegbegleiterin Niermanns in der Krankenhausseelsorge,
las Eintragungen aus dem Kondolenzbuch vor. "Es war ein Kommen
und Gehen, als Klemens in der Krankenhauskapelle offen aufgebahrt
war. Es wurde viel erzählt, manche haben gelacht, manche geweint.
Und viele haben sich in dieses wertvolle Buch eingetragen."
Viele bedankten sich für den Lebensmut, den Pastor Niermann
ihnen gegeben hatte, für den Trost, für die Lebenshilfe.
Und manche bedankten sich bei Gott, dass er so einen Menschen
auf die Erde geschickt habe. Pastor Jürgen Nass, evangelischer
Krankenhausseelsorger, schaute auf seine Zusammen-arbeit mit
Niermann zurück, der zwölf Jahre lang immer wieder versucht
habe, die Gottesdienste der Protestanten und Katholiken so zu
legen, dass sie beide im Krankenhausfernsehen übertragen werden
konnten. Und er berichtete davon, dass Niermann als katholischer
Pastor auch schon mal "unkompliziert" Aufgaben eines evangelischen
Pastors übernommen habe. Er erinnerte sich an Klemens Niermann
als einen Mann mit einem sehr ausgeprägten eigenen Willen. Alfons
Niemöller, ein ehemaliger Kurskollege und guter Freund des nach
schwerer Krankheit verstorbenen Pastors, dankte Klemens Niermann
für seine Freundschaft und Menschlichkeit. Niermann habe ihn
nicht fallen lassen, obwohl er 1970 das Priesteramt aufgegeben
habe und Laie wurde. Pastor Martin Weber fand auch das Band
zur Familie von Klemens Niermann: "Vieles von dem, was er ist,
hat er nicht nur erarbeitet, sondern von seiner Familie mitgegeben
bekommen. Die Familie darf stolz sein." Weber fragte sich, wie
es jetzt weitergeht, ohne Klemens" und "dass vielleicht alle
ein wenig mehr Klemens" sein sollen, denn übersetzt bedeute
der Name "gütig sein". "Bis Ibbenbüren mal wieder so einen Mann
hat, der querbeet zwischen allen Religionen und Klassen integriert,
das dauert." Eine Kranken-schwester bedankte sich sichtlich
gerührt für die Unterstützung im Krankenhaus. "Pastor Niermann
war immer für uns da, Tag und Nacht." Dies sei besonders in
den so schweren Momenten mit den Sterbenden so ungemein wichtig
gewesen. "Ich bin traurig, Klemens, Du fehlst mir", sprach Dr.
Fritz Scholmeyer schließlich den Menschen in der St.-Mauritius-Kirche
aus der Seele. In einem großen Trauermarsch wurde der Sarg zum
Zentralfriedhof an der Nordstraße gebracht. Dort sprach Dr.
Alan Süssholz am Grab das Kaddisch, das jüdische "Totengebet".
Der türkische Imam Basaran sang eine Sure, einen Abschnitt des
Korans, der heiligen Schrift des Islams. Den Gesangszettel,
der auch in tausendfacher Ausführung nicht reichte, zierte übrigens
ein Bild, das Pastor Klemens Niermann selbst gemalt hatte. Es
zeigt die Symbole der Juden, Christen und Muslime.
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Ich möchte einmal vortragen, wie Klemens Niermann
mich durch eine Predigt in St. Michael beeindruckte. Er berichtete
über die Wahl eines Abtes in einem süddeutschen Kloster. In
den süddeutschen Zeitungen stand, der habe in jungen Jahren
ein Verhältnis zu einer Frau gehabt. Klemens sprach über Bekennen,
Buße und Vergebung. Plötzlich fragte er: " Mal ehrlich, würden
wir uns heute mit der Hochachtung begegnen, wenn wir alles voneinander
wüssten?" Ich war sehr beeindruckt und habe diese Predigt bis
heute nicht vergessen. Ich möchte nicht nur darüber sprechen,
dass Klemens mich beeindruckt hat, sondern auch wie schwierig
die Zusammenarbeit war. Das Besondere war seine Originalität.
Er war ein Einzeltäter. Er war ein Überzeugungstäter. Eine Einbindung
in Organisationen und Strukturen ist ihm schwer gefallen. Das
Zusammenbringen mit der organisierten Form der Weißrusslandhilfe
als Institution mit über 100 Helfern war nicht leicht. Zwei
Beispiele, die zeigen, wie wir durch besseres Kennenlernen in
der Zusammenarbeit eine Parallelität entwickelt haben. In Krupitza
bat uns der orthodoxe Priester Konstantin um Unterstützung bei
der Einrichtung seiner Gemeinde. Ich habe Klemens und Konstantin
zusammengeführt. Klemens hat ihn persönlich kennengelernt und
wusste privat über ihn mehr als ich. Die Weiß-russlandhilfe
hat mit Schulmöbeln aus Ibbenbüren die Sonntagsschule ausgestattet,
also institutionell unterstützt. Klemens gab mir Geld und beauftragte
mich, ihm zu sagen, er solle einen Teil des Geldes auch privat
verwenden. Er sagte: "Er braucht das, er hat Frau und Kinder
zu versorgen." Dieses Beispiel zeigt den Unterschied unserer
Arbeitsweise. Für einen Transport mit Hilfsgütern hatte ich
einen LKW bestellt. Klemens bat mich um den Transport von Kirchenbänken,
einem Beichtstuhl und weiterer Geräte aus einem geschlossenen
Kloster in Münster. Es waren 29 Kirchenbänke, ich hatte ausgerechnet,
dass Platz für 12 zur Verfügung stand. Auf Bitten von Klemens
habe ich einen zweiten LKW bestellt. Er wollte ihn bezahlen.
Während des Ladevorgangs brachte er zusätzliche Hilfsgüter z.B.
Reifen und Felgen etc. Das Problem war, dass meine Ladelisten
nicht stimmten. Klemens hat geliefert, das Problem mit dem Zoll
war meins. Vorschriften waren für ihn lästig. Als der LKW abgefahren
war, fragte er, ob ich in Vorleistung treten könne. Bezahlt
hat er mit seinem Weihnachtsgeld. So habe ich ihn erlebt.
Karl-Heinz Mönninghoff
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Kondolenzbuch zum Tode von Pfarrer Klemens Niermann
* 30. März 1928 + 6. Februar 2007
Pfarrer Klemens Niermann war ein ungewöhnlicher Mensch. Sein
stilles und aufopferndes Wirken als Priester und Seelsorger
und Helfer in der Not für die Ärmsten, Behinderten (z. B. "Die
Arche") und Obdachlosen war besonders wert und beispielhaft.
Er war ein Vorbild im Glauben und in der Überzeugung. Seine
Spontanität, Hilfsbereitschaft und Bescheidenheit in seiner
schlichten Art war ansteckend. In einer bedrängten Lage hat
er "uns vieren" unaufgefordert und vermittelnd "den Rücken gestärkt."
Ihm gebührt Dank und Annerkennung. Jetzt ist uns seine Hilfe
vom Himmel aus sicher.
Gedicht
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend dem Alter weicht, blüht
jede Lebensstufe Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend zu
ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. Es muss das Herz bei
jedem Lebensrufe bereit zum Abschied sein und neu beginnen,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern in andere, neue Bindungen
zu geben. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt
und der uns hilft zu leben. Wir sollten heiter Raum um Raum
durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen, der Weltgeist
will nicht fesseln uns und engen. Er will uns Stuf `um Stufe
heben, weiten. Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise und
traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen nur wer bereit zu
Aufbruch ist und Reise mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde uns neuen Räumen
jung entgegen senden, des Lebens Ruf an uns wird niemals enden
….
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden …. Wohlan denn, Herz,
nimm Abschied und gesunde (Hermann Hesse) In memoriam
Für uns und viele Andere war Pfarrer Klemens Niermann Heimat,
man fühlte sich in seiner Nähe geborgen und aufgehoben.
Er war ein ganz besonderer Mensch!
Durch sein Wort und sein Leben hat Klemens Niermann uns den
liebenden Gott erfahrbar gemacht. Dafür gilt ihm unser ganz
besonderer Dank
Dank Dir, Klemens, du Licht unserer Familie
Liebevoller Mensch bis von uns weggegangen. Deine Seele soll
in Frieden sehen.
Danke, lieber Klemens für alle Deine Liebe, meiner Familie.
Danke Klemens! Du warst ein Freund der Familie und bleibst es
für immer! Wir sind dankbar Dich gekannt zu haben.
Danke Klemens, für unser Vorbild auf den Weg zu Jesus Christus
Danke Klemens für alles!
Danke Klemens für alles
Der Herr schenke dir ewigen Frieden!
Danke für alles
Danke für Alles Wenn wir in höchsten Nöten sein und wissen nicht,
wo aus noch ein, so ist dies unser Trost allein, dass wir Dich
anrufen, Du höchster Gott, aus Rettung in der Angst und Not.
Ein Priester wie es sie nicht mehr viele gibt ist von uns gegangen
Vielen Dank für die liebe Betreuung und für die Liebe die sie
weiter gegeben haben.
Danke, danke und alles Gute + Liebe im Reich Gottes!
Danke für die aufmunternden Worte Tag und Nacht …?
In Gedanken bleibt er bei uns
Danke!
Danke für Dein Vertrauen
Danke für Ihr Mitarbeiten zur Lösung der vielen sozialen und
mitmenschlichen Probleme
Dem lieben Pastor Danke!
Herzlichen Dank für alles Gute. Ruhe im Reich des Vaters.
Ein wunderbarer Mensch ist nicht mehr bei uns, er ist ein
Teil des Weges mit uns gegangen…. wir sagen Danke
Wir werden oft und gerne an dich denken.
In stillem Gedenken
Vitam aeternum appeteht: gratias ugit
Danke für deine Freundschaft!
Ein schwerer Abschied, herzlichen
Dank für Alles;
Auf Wiedersehen + danke
Du wirst uns fehlen
! In herzlicher Verbundenheit
Wir werden immer an dich denken
Wir werden Dich nie vergessen
Ich habe zu danken.
Du warst uns immer sehr hilfreich
Danke!
Herzlichen Dank für alles.
Danke Vielen herzlichen Dank Pastor Niermann ….?
Danke ……
Danke
Möge Dir der liebe Gott lohnen, das, was Du für seine Menschen
getan hast.
Danke für alles! ….
Hab `Dank für alles! Ruhe i. Frieden in Gottes Nähe! …
Ein Heiliger hat diese Erde verlassen.
Jetzt betet Klemens am Throne Gottes
Danke für alles Lieber Klemens,
Danke für alles! v
ielen Dank!
Danke für alles!
Danke für alles
Danke
Danke.
Danke Klemens für alles
Danke für den 25. 9. 06
Sie haben mir so viel Kraft gegeben.
Danke für alle Hilfe u. Hoffnung
Danke, dass es einen Menschen wie
Dich gegeben hat.
Du warst ein ganz besonders lieber Mensch!
Danke!
Ganz herzlichen Dank für alles!
Am Ende aller Wege ist Frieden
Du bist so
Wie kein Anderer
Ein Mensch, der nach der Bergpredigt gelebt hat, ist von uns
gegangen
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Weitere Einträge in das Kondolenzbuch
zum Tode von Pfarrer Klemens Niermann
Kondolenzbuch: >
> > > >
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Wie kein anderer
Von André Hagel
Er war ein stiller Aufrührer, ein radikaler Menschenfreund,
ein jederzeit beim Wort zu nehmender Christ:
Ein Nachruf auf den Ibbenbürener Pfarrer Klemens Niermann
Wir alle fallen. Diese Hand da fiillt. Und sieh dir andre
an: es ist in allen. Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Hiinden halt. Rainer Maria Rilke,
"Herbst"
Es wird kühl, wenn einer seinen Hut nimmt und den Raum verlässt,
weil ihm ein anderer Weg nicht bleibt als der hinaus. Die Tür,
die Klemens Niermann hinter sich zugezogen hat, ist ganz leise,
kaum hörbar ins Schloss gefallen. Umso lauter füllt die Kühle
jene Leerstelle, welche mit dem Einrasten der Tür entstanden
ist, die für den Ibbenbürener Pfarrer ein Ausgang aus dem irdischen
Leben gewesen ist.
Klemens Niermann war, obwohl an sich ein eher kleiner Mann,
dennoch immer unübersehbar, unübergehbar. Was zum einen daran
lag, dass er sich den Menschen, die ihm begegneten, die ihm
gegenübertraten, die auf ihn trafen, immer vollkommen zuwandte,
selbst dann, wenn die Begegnungen nur auf einen Moment beschränkt
blieben, auf ein Hallo, einen kurzen Gruß, ein schnelles Händedrücken
und Schulterklopfen. Diese freundliche Zugewandtheit bewirkte
eine Präsenz, die nicht vielen Menschen eigen ist und die selbst
dann noch nachwirkt, wenn ihr Träger schon wieder aus dem Blickfeld
verschwunden ist. Zum anderen verstand Klemens Niermann die
Kunst des Polarisierens. Nicht in dem Sinne, dass er spaltete.
Sondern in jenem Sinne, dass durch das, was er sagte, was er
tat, wofür er stand und was er verfocht, die Standpunkte klarer
wurden.
Niermanns eigener Standpunkt war hierbei immer der eines durch
die Menschenliebe Jesu Christi Inspirierten, Angetriebenen.
Der Standpunkt eines radikalen Menschenfreundes, dessen Handeln
von außen oftmals intuitiv wirkte, bei aller Spontaneität aber
immer doch fest in seinem Glauben begründet l
Nicht alle konnten was er tat nachvollziehen. Manchen war er
unbequem. Manchen auch lästig. Sein Engagement für Muslime in
der Bergmannstadt, in der Niermann 44 seiner 50 Priesterjahre
verbrachte, brachte ihm zuweilen Beschimpfungen ein. Meist anonymn.
Weil die Niedertracht die Maske dem offenen Visier vorzieht.
Als Klemens Niermann in seiner Eigenschaft als Religionslehrer
und Berufsschulpfarrer Jugendlichen eindringlich vor Augen führte,
was eine Abtreibung für das betroffene ungeborene Kind
bedeuttet,
war die Folge seines Tuns Entrüstung. Eine Entrüstung, die nicht
dem Skandal galt, sondern demjenigen, der den Skandal benannte.
Und als er der Familie eines Beamten, der seine Angehörigen
durch kriminelles Agieren ins Bodenlose gestürzt hatte, unter
die Arme griff, wurde er für dieses in seinen Augen Selbstverständliche
in einer Ibbenbürener Tageszeitung öffentlich angegriffen. Niermanns
Reaktion in letzterem Fall war typisch für ihn: Er nahm eine
Flasche Wein unter den Arm und stattete dem zuständigen Redakteur
einen klärenden BeSllch ab. Das Gespräch war seine Waffe. Nicht
nur diese Partie entschied der stille Aufrührer Niermann für
sich. Klemens Niermann hinterlässt denen, die ihn kannten, die
ihm begegneten, die mit ihm gingen oder immer wieder seinen
Weg kreuzten, eine Unzahl Erinnerungen. Erinnerungen gegen die
Kühle, die sein Tod bewirkt hat. In Menschenrcchtsgottesdiensten,
die er mit Schülern in der Kapelle des damaligen Ibbenbürener
St.-Elisabeth- Hospitals veranstaltete, brach er das Brot für
alle und ermunterte nachdrücklich zum gemeinsamen Verzehr: "Es
dürfen nicht nur Katholiken mitmachen!" Für jene jungen Männer,
die den Zivildienst der Bundeswehr vorzogen, prüfte er deren
schriftliche Gewissensbegründungen und nutzte die Gelegenheit,
wertvolle Hinweise zum Gelingen des Verweigerungsunterfangens
zu geben. An Weiberfastnacht konnte man ihn regelmäßig mit einem
CDU-Schal um den Hals erleben - Niermanns plakativ-hintersinnige
Art, den Karneval namens Politik zu demaskieren. Auch in seinem
fein sprühenden Humor war er wie kein anderer. "Ich fühle mich
in diesem neuen Jahrhundert auch nicht heimisch", stellte Klemens
Niermann vor knapp eineinhalb Jahren dem Verfasser dieser Zeilen
gegenüber fest, in einem Gespräch, das sich an einem Kolumnentext
in mittendrin entzündet hatte. Niermann sagte dies lachend,
wie er vieles lachend oder doch zumindest mit einem leisen Lächeln
zu äußern pflegte.
Am 6. Februar ist Klemens Niermann, Berufsschulpfarrer, Krankenhausseelsorger,
jederzeit beim Wort zu nehmender Christ, mit 78 Jahren einem
heimtückischen Tumor erlegen. Die Krankheit zwang ihn am Ende,
die Tür hinter sich zuzuziehen. Gewonnen hat sie trotzdem nicht.
hag
Quelle; Mittendrin 34. März 2002 - André Hagel
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Viele Ibbenbürener erinnern sich an Pfarrer
Niermann. Sie sind ihm in der Berufsschule als Religionslehrer
begegnet oder im Krankenhaus als Krankenhauspfarrer. Vor nunmehr
sieben Jahren ist dieser beliebte Pfarrer gestorben. Papst Franziskus
hätte seine Freude an diesem Mann und seinem Glaubensleben gehabt.
Er war ein authentischer Priester. Im Januar 1963 kam er nach
Ibbenbüren und wurde unter dem damaligen Dechant Bernhard Heufers
(1893-1983) Kreisvikar (Kaplan) in Ibbenbüren St. Mauritius..
Auf Bitten des Bischofs übernahm er die Stelle des Berufsschulpfarrers.
Klassengottesdienste und Meditationen neben seinem Unterricht
bereicherten das Leben der Schule. Vielen Jugendlichen war er
ein Helfer in schwierigen Situationen. "Man konnte ihn immer
ansprechen", sagten viele. Besonderen Wert legte Klemens Niermann
auf die Kontakte zu den Menschen islamischen Glaubens in der
Moschee in Ibbenbüren. Hier suchte er mit den Verantwortlichen
Räumlichkeiten und bot seine Hilfe an. Er kannte keine Berührungsängste
und später kamen Abgesandte der Moschee zu Weihnachten in die
Krankenhauskapelle, um den Christen zur Geburt Jesu zu gratulieren.
Im Ramadan war er immer ein gern gesehener Gast beim Fastenbrechen.
Zu DDR - Zeiten unterstütze er heimlich Gemeinden und Priester
in ihrer Arbeit, indem er ihnen Autos und Material besorgte
und zum Teil auf kuriose Weise in die DDR einschmuggelte. Solche
Geschichten können Bände füllen. Nachdem er 1977 dem Schriftsteller
und Regisseur Einar Schleef die Mittel zur Ausreise aus der
DDR über die Tschechei ermöglicht hatte , wurde Klemens Niermann
im März 1977 an der Grenze gefasst , als er die Verlobte von
Schleef mit dem Wagen aus der DDR schmuggeln wollte. Nach einer
langen Untersuchungshaft wurde er zu drei einhalb Jahren Haft
verurteilt. Nach 3 Monaten kaufte ihn das Bistum Münster frei.
Nach einer Herz-OP gab er den Schuldienst auf und wurde ab 1983
Krankenhausseelsorger im Ibbenbürener Klinikum. Er ermunterte
die Kranken und begleitete Sterbende auf ihrem letzten Lebensabschnitt.
Kraft und Hilfe gab er den Angehörigen in Gesprächen. Bis zu
dreimal in der Nacht wurde er aus dem Schlaf geholt, um Sterbenden
beizustehen. Sein Augenmerk galt der Ökumene. Mit den evangelischen
Pfarrern arbeitete er eng zusammen, feierte gemeinsame Gottesdienste
an den Festtagen. Bekenntnis-verbundenen Ehen gab er Kraft und
Halt. Und immer wieder stellte er sich die Frage:
WAS WÜRDE JESUS IN DIESER SITUATION TUN?
Und diese Frage und die Antworten aus der Schrift bestimmten
sein Leben. Asylbewerbern bot er mehr als einmal sein Bett an
und schlief wochenlang auf der Couch. Kein Obdachloser wurde
von seiner Tür verwiesen, alle fanden Hilfe und ein Dach über
dem Kopf, ob im Keller des Krankenhauses, wo er eine kleine
Wohnung eingerichtet hatte oder auch mal im Winter in der Kapelle.
Für sich selbst brauchte er nichts, er hatte keine Spareinlagen
und Konten. Geschenke wurden weitergegeben an die Bedürftigen.
So fehlte seinen Freunden beim Besuch in seiner Wohnung einmal
ein Besteck, dass sie ihm geschenkt hatten. Niermann quittierte
die Frage nach dem Verbleib: "Jesus war da und der brauchte
es nötiger". Das Geschenk war in einer Asylbewerberfamilie gelandet.
Zur Kirche in Weißrussland unterhielt er viele Jahre kontakte:
eine Suppenküche in Minsk wurde von ihm eingerichtet und gefördert.
Hier in Deutschland besorgte er viele alte Kircheneinrichtungen
und brachte sie mit Transporten nach Minsk. Die Suppenküche
in Ibbenbüren und die Arbeit des Sozialdienstes katholischer
Frauen) unterstütze er tatkräftig. Sein Tod nach schwerer Krankheit
stimmte viele sehr traurig und sie fragten sich: "Wie wird das
weitergehen mit seiner Arbeit und seinem Engagement?" Pfarrer
Weber sagte damals:"Wir müssen alle ein bisschen Klemens werden"
Bei der Beerdigung nahmen Hunderte von Ibbenbürener von ihm
Abschied. Bewegend in Berichte und Kondolenzschreiben der Gottesdienstbesucher.
Viele hatten persönlich eine Hilfe erfahren und drückten ihren
Dank auf dem letzten Weg von Klemens zu seiner Ruhestätte aus..
Ein schlichter Stein kennzeichnet sein Grab auf dem Friedhof,
auf dem immer und immer wieder Kerzen angezündet werden. Was
ist geblieben von diesen Mann:
Die Schreibgruppe G-bunt fragte bei Freunden und Zeitgenossen
an: "Was ist von Klemens Niermann geblieben?" Martin Weber (Pfarrer
Hl. Kreuz) meint: " Eine Lücke und Sehnsucht ist geblieben.
Klemens war ein handfestes und Grenzen sprengendes Symbol für
Mitmenschlichkeit und Christlichkeit. Wir brauchen in Ibbenbüren
wieder mehr Menschen, die zusammen führen und zu Solidarität
anstiften. Andreas Finke ( Matthäusgemeinde) erinnert sich an
seine Einstellung zu evangelischen Christen:"Ich war ganz neu
als Pfarrer in Ibbenbüren. Mein erster Ökumenischer Gottesdienst
führte mich in die Michaelkirche. Dort zelebrierte Leonhard
Rüster die Eucharistiefeier. Die Messdienerinnen und alle weiteren
Mitwirkenden ging standen im Halbkreis hinter dem Altar. Unter
ihnen standen auch Klemens und ich als evangelischer Nachbarpfarrer.
Je näher die Austeilung kam, desto unruhiger wurde Klemens.
Als Leonhard dann mit den Hostien auf uns zu kam, fing Klemens
förmlich an zu zappeln und wies den Zelebranten mit Kopf- und
Handzeichen auf mich hin. So bekam ich als Erster eine Hostie
in der Kommunion. Erst nachdem ich auch den Kelch nehmen durfte,
war Klemens wieder ruhig und sehr zufrieden". Schwester Michaela
von der Krankenhausseelsorge antwortet auf diese Frage: "Ganz
spontan fallen mir die vielen ehrenamtlich Engagierten ein.
"Pfarrer Klemens", so wurde er von vielen genannt, hatte die
Gabe, Menschen einzuladen, zu ermutigen mitzumachen, zu begeistern.
Aus fast allen Gemeinden engagierten sich Kommunionhelfer, um
den Kranken am Sonntag die Kommunion zu ermöglichen. Einige
sind aus Altersgründen ausgestiegen, aber es kamen auch wieder
neue hinzu. Das ist von Klemens Niermann geblieben. Die Sonntagsgottesdienste
liefen weiter in Form von Wort-Gottes-Feiern. Männer und Frauen,
die ihn im Predigtdienst schon unterstützten, waren sofort bereit,
die Leitung einer Wort-Gottes-Feier zu übernehmen. Auch da sind
der ein oder andere hinzugekommen. Das ist von Klemens Niermann
geblieben. Pfarrer Klemens war für Hilfesuchende eine Adresse,
das war bekannt und wurde auch weitergegeben. Die Adresse von
Klemens Niermann ist geblieben, der Umfang hat sich etwas verkleinert,
aber für "Jan und Hein und Klaas und Pit" ist die Adresse ein
Stück Heimat geblieben. In unserem Fürbitten-Buch fand ich im
Dezember folgenden Eintrag:" Klemens, ich wünsche dir oben eine
schöne Weihnacht, leider bist du zu früh gegangen, die Kerze
brennt schon" "Auch das ist von Klemens Niermann geblieben.
All das fällt mir spontan ein. In der Begegnung mit Menschen
treffe ich immer wieder auf Klemens Niermann, weil sie von ihm
in Wort oder Tat Hilfe erfahren haben und davon berichten. Auch
das ist von Klemens Niermann geblieben."
An seinem Grab auf dem Nordfriedhof sprechen Menschen ihre Gebete
und Bitten aus und hinterlassen Kerzen als Grabschmuck Auf Ratsbeschluss
wurde zur Erinnerung an den beliebten Pfarrer und als Aufforderung
"Ein bisschen Klemens zu werden" der Platz zwischen Rathaus
und Caritasverband in Klemens Niermann-Platz umbenannt. Michael
Dudek (Religionslehrer am Kepler Gymnasium) sagt:" Klemens Niermann
bleibt unter uns lebendig. Manchmal gehe ich zum Friedhof und
besuche sein Grab. Da brennen immer ein paar Kerzen. Im Religionsunterricht
versuche ich, seine Lebensgeschichte den jungen Leuten weiterzuerzählen.
Sie erfahren von seinem Einsatz für die anderen und von seiner
Vision einer neuen Welt (Interview mit Martin Weber). Dann schreiben
sie einen fiktiven Brief an Klemens bzw. einen Brief an den
Ibbenbürener Gemeinderat (Klemens-Niermann-Platz!), in dem sie
das hervorheben, was für sie an seinem Leben wichtig ist und
warum dieses Leben weiterhin für Ibbenbüren Bedeutung hat. Für
Lotti Große-Burlage ist immer wieder das Gottesbild von Klemens
Niermann tragend: "Das RICHTEN Gottes ist ein AUFRICHTEN:" Anne
Wilksen: "Klemens, ein Mann von tiefer Frömmigkeit und mit viel
Humor, er hat das Evangelium ernst genommen, das Leben geliebt
und jeden Menschen, so wie er ist, akzeptiert" Ein gutes Fazit.
Ein Mann der hoffentlich vielen ein Beispiel ist und wird und
den man nicht vergessen sollte.
Quelle: Hans-Jürgen Himstedt - Weitere Infos: unter :
https://www.hl-kreuz.de/
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Als Freund und Kollege
möchte ich mit einigen Gedanken an das Leben von Klemens erinnern.
Das kann nur unvollständig sein. Jeder von uns hat ihn auf seine
Art erlebt und ein Stück begleitet, aber je näher man Klemens
kam, um so bewusster wurde einem, dass man ihn nie ganz kennen
würde. Um es mit den Worten von seinem schon lange verstorbenen
Freund Siegfried (der mit dem ganz langen Bart!) zu sagen: "Man
weiss, dass man nichts über ihn weiss
1.
Während seiner Zeit, als er noch in der Oststraße wohnte, und
ich ihn kennenlernte, hatte sicher jeder der anderen Mitbewohner
ein eigenes Bild von Klemens, aber wenn er unten im Haus in
das berühmt berüchtigte Forum kam und ein paar kräftige Jungs
zum Möbeltransport brauchten, um einer bedürftigen Familie zu
helfen, stellten die ihr Bier weg und halfen ihm. (Das Forum
war eine ganz normale Eisdiele, sie war nicht berüchtigt, es
ist wohl die Gaststätte Elch gemeint, die nach dem Forum hier
war). Die Polizei kannte ihn und schaute weg. Sogar brauchte
sie ihn manchmal: kommen Sie bitte, hier ist ein Fall für sie!
Die Besucher, die bei ihm ein und aus gingen, verärgerten auch
sicher oftmals seine Nachbarschaft: ein paar Obdachlose die
im Flur auf ihren Klemens warteten, eine ganze Schulklasse die
mal eben Unterricht in seiner Wohnung machte. Man wusste nie
wer bei ihm oben die Tür aufmacht, oft Menschen die mal gerade
keine Bleibe hatten, sich ein paar Tage bei ihm ausruhten, oder
denen er gerade Job und Wohnung besorgte. Selbst sein Auto war
nie abgeschlossen, das wusste man, auch darin konnte man mal
nachts schlafen. Wie viel Nächte hat er auf dem Fußboden oder
Sofa geschlafen. Sein Bett bekamen immer die anderen. Oft schob
er den Römertopf mit dem Essen vor der Schule noch in den Backofen
und versorgte so auch seine alte Nachbarin (die alte evangelische
Frau Gulbe,).
2.
Klemens konnte Netzwerke spinnen. Wir Freunde haben ihm mal
als Symbol ein riesiges Fischernetz geschenkt. Jeder Knoten
hatte eine Bedeutung. Nie habe ich so viel für das Leben gelernt
wie bei unserer gemeinsamen Reise hinter den eisernen Vorhang,
in die ehemaligen Tschechoslowakei (Jesus kennt keine Grenzen.
Aber es könnte riskant sein. Das ganze Leben Jesu ist ein Risiko
gewesen!). Und auch dabei gab es das Netzwerk hinter Klemens,
Menschen, die die ganze Reise ermöglichten, das Auto umbauten,
für die Einreisepapiere sorgten, das nötige Geld gaben, das
konnte er ja auch nicht nur alleine aufbringen. Seine christliche
Mitmenschlichkeit war in vielen Fällen ansteckend. Ganze Freundeskreise
motivierte er, so dass diese ihn mit Freude unterstützten.
3. Glück und Trauer fand Klemens
in seinem Alleinsein. Mit seinem Rucksack fastend 10 Tage eine
Wanderung machen, draußen schlafen, den Jakobsweg gehen, einige
Tage auf dem Berg Atos bei einem Einsiedler leben, den Berg
Sinai in der Nacht besteigen, beim Morgenrot ein halbstündiges
Gebet gestalten, über so ein Wunder der Natur erstaunen, beim
Sonnenschein runterlaufen, mit einem Stein in seinem Rucksack:
zur Erinnerung an einen stürmischen Angriff Gottes in mein Leben,
eine Erneuerung, ein neuer Anfang. Oft zog er sich so von uns
allen zurück. Wie sagte er: "Meine Wanderungen waren Exercitien".
Ein Wunsch für ihn kam in diesen Tagen vom Berg Athos: mögen
deine Wanderungen dorthin führen, wo die himmlische Wallfahrt
endet: nämlich dort wo Er, der Jesus deiner Träume, deiner Hoffnung,
deines Gebetes, deiner Sehensüchte auf dich wartet.
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Klemens liebte das Leben und er konnte es bei
einem schönen Abend mit Freunden bei einem guten Essen auch
genießen. "Kann das Leben schön sein", sagte er, und fügte hinzu:
"manchmal". In den letzten Jahren, sicher auch geprägt mit dem
intensiven Umgang mit dem Sterben und dem Tod, kam oft seine
Antwort über die alltäglichen menschlichen Probleme: "Ja ist
schon gut, das kriegen wir schon wieder hin".
5.
Klemens war das Geschichtslexikon für uns alle. Und doch mußte
er sagen: "Ich weiss, dass ich nichts weiss". Unter dem Motto:
ich muß auf dem Kurs bleiben, auf dem Laufendem, Jesus gegenüber
und den Menschen. Jesus und die Menschen, ineinander geschmolzen,
sind die alltägliche Schule für Klemens gewesen. Man stieß mit
keinem menschlichen Problem an eine Grenze bei ihm. Ein kleines
persönliches Beispiel: 1972 bekam ich ein holländisches Fahrrad,
einmalig für mich alleine die Rücktrittsbrems. 2 Wochen später
fand ich es nicht mehr wieder. Klemens Antwort war einfach:
Der, der es geklaut hat, brauchte es dringender als du. Ein
Fahrrad musste ich abgeben, seine Netzwerk- Freunde kennen das.
Du hast doch, du kannst doch, ich brauche für den Jungen ein
Fahrrad, der muss doch zur Schule fahren können. Mit Freude
gab man es Klemens. Doch gestern
nach dem Gottesdienst in der Krankenhauskapelle, mit dem Klemens
aufgebahrt dabei, wurde wieder mein Fahrrad geklaut, aber nun,
kannst Du lieber Klemens nicht mehr sagen ist schon gut der
andere brauchte es mehr als du.
Gute Menschen an seiner Seite haben es Klemens ermöglicht, in
seiner Wohnung in seinem Bett sterben zu dürfen. Im Sterben
hat Klemens Dankbarkeit erfahren dürfen von Menschen die ihn
begleitet haben, die ihn dort betreut und gepflegt haben, mit
und für ihn gebetet haben, und sich von ihm persönlich verabschieden
durften. Etwas ist zurück gekommen von der Liebe und Hilfe,
die Klemens anderen Menschen hat zukommen lassen.
7 Lieber Klemens, es ist nicht gut zu sagen, wir nehmen Abschied
von Dir; Christen nehmen nie Abschied; Christen leben in der
Gemeinschaft der Heiligen in einer unerschütterlichen Verbundenheit:
"Wer stirbt, der erwacht zum Leben", der wohnt in dem atemberaubenden
Licht des Auferstandenen. Ein Thema das uns beide schon manchmal
zusammen beschäftigt hat.
8.
Klemens, ein kostbarer Einzelgänger, der mit uns immer noch
im Dialog sein kann. Er bleibt ein Gesprächspartner, nicht durch
die Sprache der vielen Worten, sondern des aktiven Handelns.
Du, Einzelgänger Gottes, freue Dich des neuen Lebens in der
Fülle des Lichtes Gottes des Ewigen, des Barmherzigen, des Gottes
der Lebenden und nicht der Toten. Lebe wohl. Amen
Cesare Marcheselli-Casale
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Abschied - Am Mittwoch
und Donnerstag nach seinem Tod (7./8. Februar 2007) war Klemens
Niermann in seinem Sarg in der Kapelle des St.-Elisabeth-Krankenhauses
aufgebahrt. Zahlreiche Ibbenbürener und Freunde nahmen Abschied
und schrieben etwas in das ausgelegte Kondolenzbuch. Die Verabschiedung
von Pfarrer Klemens Niermann begann am Montag, dem 12. Februar
2007 um 12.30 Uhr in der St.-Mauritius-Kirche. Mehr als 1000
Menschen waren zu dieser beeindruckenden Feier zusammen gekommen.
Die Messe dauerte etwa zwei Stunden, die Beerdigung anschließend
noch einmal 45 Minuten. Zu den Fürbitten konnten alle, die mochten,
das Wort ergreifen. Im Chorraum waren die Seelsorgerinnen und
Seelsorger der Stadt (auch zahlreiche evangelische) und der
Umgebung versammelt sowie viele weitere Freunde und Mitbrüder.
Von der Bistumsleitung war Domkapitular Walter Böcker gekommen;
er hatte noch vor einiger Zeit den Krankenhausseelsorger als
Patient erlebt. Auch Bürgermeister Heinz Steingröver, der am
Schluss der Feier das Wort ergriff, saß hinter dem Altar. An
Stelle einer Predigt ergänzten sich Weggefährten von Klemens
Niermann: Hinter dem Altar saß Kurskollege Johannes Lammers,
am Ambo las Schwester Michaela aus dem Kondolenzbuch. An dieser
Stelle sprachen auch die evangelischen Pfarrer Reinhard Paul
und Jürgen Nass, sowie Dechant Martin Weber. Nach der Messe
wurde der Sarg in Fußprozession zum Zentralfriedhof geleitet.
Während es zu Beginn der Messe noch geregnet hatte, war es auf
dem Weg zum Friedhof trocken, auf dem Friedhof selbst schien
sogar die Sonne.
Die Polizei hatte den Autoverkehr angehalten,
so dass die sehr lange Prozession zügig die etwa 500 Meter bis
zu den Gräbern gehen konnte. Auf dem Friedhof begrüßte ein Trompetenspieler
die Trauergäste. Klemens Niermann hatte seinen ungewöhnlichen
und einfachen Sarg schon seit vielen Jahren in seinem Schlafzimmer
stehen. Das Kreuz hatte er selbst gezimmert und angebracht.
Im Sarg lag das einfache weiße Gewand, in dem er beerdigt werden
wollte. Pastor Niermann wurde neben dem evangelischen Pfarrerehepaar
Knebel und Pater Paul Knespl beerdigt auf Grabstelle 683. Dr.
Alon Süssholz sprach das Kaddisch, das jüdische "Totengebet".
Der türkische Imam Basaran sang am Grab eine Sure; die türkisch-muslimische
Gemeinde war mit einer großen Abordnung zur Beerdigung gekommen.
Auch in Meerane/Sachsen wurde am Montag ein Requiem gefeiert.
Dort begannen vor über 50 Jahren die ersten "Ostkontakte" von
Klemens Niermann
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Ein schönes altes Bauernbett hat er von zu Hause
geerbt. In diesem, seinem heißgeliebten Bett ist Pastor Niermann
am Dienstag gestorben. Dieses Bett ist für mich ein Symbol für
sein Leben und zugleich ein Schlüssel für das Verständnis der
heutigen Schrifttexte. "Wohl euch ihr Armen, denn euch gehört
das Reich Gottes. Wohl euch, die ihr jetzt hungert, denn ihr
werdet satt werden." "Aber wehe euch, die ihr jetzt reich seid,
denn ihr seid bereits getröstet"
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Für Klemens Niermann war
dieses schöne alte Bett ein Reichtum, den er nicht selbst erarbeitet
hatte, der ihm geschenkt wurde. So war es für ihn selbstverständlich,
diesen Reichtum nicht für sich allein zu behalten, sondern zu
teilen. Über viele Jahre hin haben immer wieder mal Gäste und
vor allem auch Obdachlose in diesem Bett übernachtet und Klemens
selber schlief auf einer Luftmatratze unterm Küchentisch. "Wohl
euch ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Wohl euch,
die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden." Dass dies
Frohe Botschaft ist und nicht billige Vertröstung, konnten viele
Menschen in Ibbenbüren und darüber hinaus bei Klemens Niermann
ganz praktisch, ganz real erfahren. Für den Evangelisten Lukas
ist dieses Schriftwort ein zentraler Aspekt der Botschaft. Deutlich
wird dies durch den Abschnitt der vor dem heutigen Evangelientest
steht: Er beschreibt, dass Jesus auf einen Berg geht, um zu
beten: Gott ist die Orientierung, der Halt, die Kraft, von der
alles ausgeht, von ihm fühlt er sich gesandt. Und auf diesem
Berg - ein Symbol für die Nähe Gottes - wählt Jesus die Apostel
aus, die mit ihm die frohe Botschaft weitergeben sollen. Und
dann heißt es: "Jesus stieg mit ihnen den Berg hinab". Es erinnert
an Moses, der auf dem Berg die Gesetzestafeln der Zehn Gebote
empfangen hat und den Berg hinabsteigt, um seinem Volk die Gebote
zu verkünden. Unten am See, das heißt auf gleicher Ebene mit
allen Menschen, verkündet jetzt Jesus in der sogenannten Feldrede,
wozu er gesandt ist: die Frohe Botschaft vom Reich Gottes: "Wohl
euch ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Wohl euch,
die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden." "Aber wehe
euch, die ihr jetzt reich seid, denn ihr seid bereits getröstet"
Ich selbst und viele von uns - wir gehören zu den Reichen! Aber
kann man mir, kann man uns einen Strick daraus drehen, dass
wir zufällig auf der günstigeren Halbkugel der Erde wohnen in
einem reichen Land, dass ich Arbeit habe, dass ich gesund bin?
Es wird immer zwei Gruppen geben, Reiche und Arme, Lachende
und Weinende. Entscheidend ist, wie ich damit umgehe, wenn ich
zufällig zu den Reichen gehöre. Wie das geht - dafür hat uns
Pastor Niermann in seinem Leben viele Beispiele gegeben. Wie
sein Bett hat er alles, was er besaß, was ihm geschenkt wurde,
nicht als seinen alleinigen Besitz betrachtet, sondern war bereit
zu teilen.
So wurde seine Garage zum Möbellager für bedürftige Familien
und sein Auto wanderte hinter den eisernen Vorhang. Eine große
innere Freiheit ermöglichte Klemens loszulassen, sich nicht
abhängig zu machen von Besitz und Reichtum. So hatte er ein
offenes Haus. Er hatte offene Augen und Ohren und ein feines
Gespür für Menschen, die Hilfe brauchten. Dabei ging es nicht
nur um materielle Hilfe, sondern er war für die Schüler da,
für die Behinderten in der "Arche" von Tecklenburg. Klemens
kümmerte sich Strafgefangene, um Drogensüchtige. Er sorgte sich
um Menschen ohne Orientierung und Obdach, um Aidskranke in Ibbenbüren.
Das Wort Jesu " Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern
die Kranken" hat er sich in den letzten Jahren als Krankenhausseelsorger
zu eigen gemacht. Seine große innere Freiheit nahm Klemens Niermann
viel Angst und ermöglichte ihm den Mut, weltlichen und auch
kirchlichen Autoritäten entgegen zu treten, wenn es um das Wohl
der Menschen ging. "Was würde Jesus jetzt an meiner Stelle tun?"
Das war Maßstab und Orientierung für sein Handeln. Dazu passt
ein Lied, dass wir gleich singen und Klemens Niermann hilft
mir, das Lied mit zu singen: " Wir lassen uns auf Jesus ein,
verlieren uns an ihn. Aus seinem Geiste werden wir neu, der
Welt und den Menschen geboren. Wer sein Leben verliert, wird
es gewinnen." Seine große innere Freiheit, die ihm manchmal
erlaubte, auch verrückte Dinge zu tun, ist nur verständlich,
weil er - wie es in der heutigen Lesung heißt - nicht auf eigenes
Können und auf Menschen allein vertraute, sondern weil Gott
für ihn Kraft und Quelle des Lebens war! So trifft für Klemens
Niermann das Wort der Lesung zu: Gesegnet der Mann, der auf
den Herrn sich verlässt und dessen Hoffnung der Herr ist. Er
ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist." Dieses Vertrauen
war für Pastor Niermann, der so viele Menschen beim Sterben
begleitet hat, in den letzten Wochen gefragt, als er selbst
von seiner tödlichen Krankheit erfuhr. Vor zwei Wochen, als
er in seinem Bett lag und noch sprechen konnte, hat er mich
verabschiedet mit den Worten: " Es ist alles gut, Josef!"
Josef Bendfeld
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Jedem, der euch bittet,
dem gebt
Die Fragen stellte 1996 Pastor Martin Weber (kursiv),
Klemens Niermann (1928-2007) im Gespräch Das folgende Interview
mit Klemens Niermann entstand am Mittwoch, dem 24. Januar 1996
zur Vorbereitung einen einseitigen Artikels im "St.-Ludwig-Blättchen"
mit der Überschrift "Wer ist eigentlich … Klemens Niermann"
(siehe Anhang).
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Die Fragen stellte Martin
Weber (kursiv), damals Pfarrer in St. Ludwig (jetzt Heilig Kreuz).
Das Gespräch durfte auf Tonband aufgezeichnet werden und füllt
zwei Kassetten zu je 45 Minuten. Bärbel Schürkamp, Pfarrsekretärin
in St. Ludwig, hat das umfangreiche Gespräch in Schrifttext
umgesetzt. Michael Dudek, Religions- und Deutschlehrer am Kepler-Gymnasium,
hat den Text redigiert und in eine lesbare Form gebracht. Auch
die Zwischen-überschriften stammen von ihm. An einigen Stellen
wurde der Text leicht gekürzt. Die Anmerkungen und Einordnungen
hat Martin Weber recherchiert. Von ihm stammt auch der aus diesem
Text abgeleitete und ergänzte Lebenslauf von Klemens Niermann
im Anhang. Wichtige und programmatische Äußerungen sind in Fett
gesetzt. Die Endredaktion fand im Februar 2007 statt. Stand
dieser Fassung: 13.02.2007 14:04 (Klammervermerke sind von Werner
Suer)
Interview mit Krankenhauspfarrer Klemens Niermann am 24. Januar
1996
Kindheit und Jugend
Sag mal zuerst, wann und wo du geboren bist.
Ich bin am 30. März 1928 in Schermbeck geboren. In Schermbeck
(lacht)! Schermbeck ist ein Dorf im Grenzbereich zwischen Westfalen,
Rheinland und Ruhrgebiet (zwischen Haltern und Wesel). Wir haben
zu Hause plattdeutsch gesprochen, unser Plattdeutsch ist so
eine Mischung aus westfälischem Platt, Niederrhein-Platt und
Ruhrgebiet-Slang. Wir waren 14 Kinder.
Und du?
Ich bin das fünfte von 14 Kindern und, das kann man so
sagen, wir waren arme Leute. Wir gehörten zu den kleinen Leuten.
Als ich Primiz hatte, da sagte der Nachbar - das war ein dicker
Bauer: "He is man van kleine Lüe, aber he wird doch Pastor".
Verstehst du das? "Er ist nur von kleinen Leuten, aber ist trotzdem
Priester".
Was hast du denn noch in Erinnerung von Schermbeck, hat dich
das irgendwie geprägt?
Ich meine dieses "Kleine Leute" ist irgendwie klar, aber
die Atmosphäre in Schermbeck m
uss doch eigentlich eng gewesen sein?
Schermbeck ist ein Dorf, das bis zur Gebietsreform halb Westfalen,
halb Rheinland war. Die Grenze ging mitten durchs Dorf und das
war auch eine Konfessionsgrenze zwischen katholisch und evangelisch.
Der westfälische Teil war katholisch und der rheinische Teil
war ursprünglich ganz evangelisch, ist aber inzwischen ein bisschen
gemischt. Und dies Verhältnis zur evangelischen Kirche war damals
eigentlich mehr Trennung als Gemeinsamkeit. Heute ist das ganz
anders, heute machen die sehr viel zusammen, viel mehr noch
als in Ibbenbüren.
Ist das eine katholische Ecke?
Alt-Schermbeck ist eine katholische Ecke, Schermbeck ist evangelisch,
aber trotz der Trennung zwischen den beiden Konfessionen waren
wir in Schermbeck, seitdem Adolf Hitler die katholischen Schulen
aufgehoben hatte, eigentlich immer in einer Gemeinschaftsschule.
Dadurch verbesserte sich das Verhältnis zwischen den beiden
Kirchen enorm.
Hast du denn damals schon was in der Jugendarbeit gemacht?
Ja. In der katholischen Jugendarbeit waren unsere Familie, meine
Geschwister und ich immer sehr aktiv - das muss ich wohl sagen.
Wir haben das Vereinsleben der katholischen Jugend sehr geprägt.
Mein Bruder gründete die Pfadfinder, ein anderer Bruder war
einige Jahre Kolpingpräses, ein anderer wurde auch noch Kolpingpräses,
später dann Senior des Kolpingvereins. Wir waren also in der
Gemeinde immer aktiv; die Brüder sind im Kirchenvorstand und
Pfarrgemeinderat gewesen; auch heute noch ist ein Bruder im
Kirchenvorstand.
Hatte Familie bei euch einen sehr großen Stellenwert?
Ja, einen sehr großen. Wir waren - was soll ich sagen -
(lacht) eine brutal katholische Familie! Vom Religiösen her
der Prägende war unser Vater. Das Morgen- und Abendgebet geschah
selbstverständlich mit der ganzen Familie, und Vater betete
immer vor. Auch bei Tisch betete er, wenn er da war, immer vor
und sonst Mutter. Auch als ich schon Diakon war, durfte ich
noch nicht vorbeten, wenn ich da war.
Was sind deine anderen Geschwister geworden?
Der älteste Bruder ist Missionar geworden. Er war 30 Jahre
als Steyler Bruder bei den Papuas in Neuguinea2. Er hat in Australien
das Lehrerseminar besucht und ist so Lehrer geworden. Das war
für seine große Missionsstation auch sehr wichtig. Er war dort
ein sehr lebendiger Missionar und ein sehr fortschrittlicher.
Der Bischof von Neuguinea, der fliegende Bischof Arkfeld3, hat
uns einmal besucht. Er nannte unseren Bruder Aloys einen persönlichen
Freund. Eine Schwester ist noch Nonne geworden, eine andere
Schwester Pastoralreferentin4.
Also sind doch viele religiös geprägt?!
Ja, ganz sicher. Paul, der ein Jahr jünger als ich ist
und der jetzt schon tot ist, der war lange stellvertretender
Vorsitzender des Kirchenvorstandes in Wesel zu den Heiligen
Engeln - wo er wohnte - und rechte Hand des Pastors. Ja, religiös
geprägt waren wir sehr.
Zur Schule gegangen bist du wo?
Auf das Gymnasium in Dorsten. Ich war aber auch noch Luftwaffenhelfer.
Die vollständigen Interview Anmerkungen finden sich in
der Word-Datei
> > > >
Pastor Martin Weber
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Klemens Niermann - ein Platz für den zupackenden Priester
Obdachlose unter der Kapelle
Ibbenbüren Freitag, 09.11.2012, 12:00 Uhr 10.11.2012, 12:27
Uhr - Günter Benning
Er galt als teuerster Priester der Diözese. Klemens Niermann
war 1978 als Fluchthelfer in der DDR verhaftet worden - und
später freigekauft. Nur einer der Gründe, warum in Ibbenbüren
ein Platz nach ihm benannt wird.
Wenn die Länge eines Trauerzugs etwas aussagt, dann muss Klemens
Niermann ein bedeutender Mann gewesen sein. Weit über 1000 Menschen
folgten dem schlichten Holzsarg des katholischen Krankenhauspfarrers.
Am offenen Grab sprach nach dem Dechanten Martin Weber der Arzt
Dr. Alon Süssholz das Kaddisch, das Totengebet der Juden. Und
der türkische Imam Memet Ali Basaran sang mit lauter Stimme
eine Sure aus dem Koran. Fünf Jahre ist das her, jetzt widmet
die Stadt Ibbenbüren den Platz zwischen der Caritas und dem
Rathaus dem katholischen Wanderer zwischen den Welten.
Niermann stammt aus Schermbeck, ist halb Westfale, halb Rheinländer.
Vor allem ist er das fünfte von 14 Kindern einer Kleine-Leute-Familie.
Grundkatholisch - mehrere Geschwister gehen später in den kirchlichen
Dienst. 1928 geboren, 1957 zum Priester geweiht, wird er 1965
Berufsschullehrer in Ibbenbüren, später Krankenhausseelsorger.
Niermann stammt aus Schermbeck, ist halb Westfale, halb Rheinländer.
Vor allem ist er das fünfte von 14 Kindern einer Kleine-Leute-Familie.
Grundkatholisch - mehrere Geschwister gehen später in den kirchlichen
Dienst. 1928 geboren, 1957 zum Priester geweiht, wird er 1965
Berufsschullehrer in Ibbenbüren, später Krankenhausseelsorger.
Niermann packte an. Er ließ reisende Obdachlose im Keller unter
der Krankenhauskapelle wohnen, in der "Jesus-Suite". Er beschaffte
Flüchtlingen des Bosnien-Kriegs Jobs und Wohnungen. Er verlieh
seine Wohnung wochenlang an Leute, die es nötig hatten. Auf
unnachgiebige Art und Weise verkörperte der immer freundlich
wirkende Pastor gelebte Nächstenliebe. Dabei griff er zu kreativen
Methoden. Als er sich einmal ärgerte, dass eine Gemeinde einen
verurteilten Betrüger (Ster...) im Staatsdienst mobbte, dessen
Mobiliar versteigert wurde, kaufte er die Möbel selbst. Nachher
lieh er sie dem Mann und seiner Familie zurück. Als die Lokalzeitung
kritisch über den Deal schrieb, hagelte es Proteste. Niermann
hatte seine Unterstützer-Gemeinde in Ibbenbüren. Schon als junger
Mann war er zu Fuß durch Palästina nach Jerusalem marschiert,
damals wie heute ein Wagnis. Sein Leben lang blieb die Versöhnung
zwischen den drei Religionen seine Herzenssache. Er kümmerte
sich mit Freunden um den verkümmerten jüdischen Friedhof in
Ibbenbüren. Und er setzte sich für die muslimischen Bergleute
in der Stadt ein. Dass sie ihre erste Moschee gründen konnten
und einen eigenen Bestattungsplatz erhielten, verdanken sie
dem Schermbecker, auf dessen Beerdigungszettel Kreuz, Davidstern
und Halbmond ein Dreieck bilden.
Niermann hatte ihn so entworfen. Bischof Reinhard Lettmann meinte
dazu, das sei wohl etwas ungewöhnlich gewesen. Die katholische
Kirche hatte nicht immer Freude an Niermann, dessen Spontanität
ihn als Gemeindepfarrer ausschloss. So unterstützte er Gemeinden
im Ostblock, brachte Geld über den eisernen Vorhang, baute eine
Armenküche in Minsk auf. 1978 wurde er am Grenz-übergang Helmstedt/Marienborn
verhaftet, als er die 28-jährige Freundin des Regisseurs Einar
Schleef im Kofferraum in den Westen schmuggeln wollte. Er wurde
zu drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, aber nach drei
Monaten freigekauft. Danach galt er scherzhaft als der teuerste
Priester im Bistum. Niermann, der fromme Priester, setzte sich
über Gesetze der Kirche hinweg. Einmal sagte ihm mahnend ein
Bischof, er habe gehört, dass er in seinen Gottesdiensten auch
Evangelischen die Kommunion gebe. Niermanns Antwort: In seiner
Kirche sei es so dunkel, da könne er die Evangelischen von den
Katholischen nicht unterscheiden.
Günter Benning
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Der Tod und der Gänsehirt - Norbert Kölker
Diese Geschichte ist mir zufällig wieder in die Hände gefallen.
Dabei habe ich sofort an Klemens Niermann gedacht, da er diese
Geschichte mehrfach in der Krankenhauskapelle frei vorgetragen
hat, und zwar so, dass er die jeweils Genannten/Personen auch
durch seine Stimme charakterisiert hat (ernst/ruhig gelassen/wütend).
Und dabei war es dann immer mucksmäuschenstill! (man konnte
die Nähnadel fallen hören, trotz überfüllter Kapelle)
Janosch: Der Tod und der Gänsehirt Einmal kam der Tod über den
Fluss, wo die Welt beginnt. Dort lebte ein armer Hirt, der eine
Herde weisser Gänse hütete. "Du weisst, wer ich bin, Kamerad?"
fragte der Tod. "Ich weiss, du bist der Tod. Ich habe dich auf
der anderen Seite hinter dem Fluss oft gesehen." "Du weisst,
dass ich hier bin, um dich zu holen und dich mitzunehmen auf
die andere Seite des Flusses." "Ich weiss. Aber das wird noch
lange sein." "Oder wird nicht lange sein. Sag, fürchtest du
dich nicht?" "Nein", sagte der Hirt. "Ich habe immer über den
Fluss geschaut, seit ich hier bin, ich weiss, wie es dort ist."
"Gibt es nichts, was du mitnehmen möchtest?" "Nichts, denn ich
habe nichts." "Nichts, worauf du hier noch wartest?" "Nichts,
denn ich warte auf nichts." "Dann werde ich jetzt weitergehen
und dich auf dem Rückweg holen. Brauchst du noch etwas, wünschst
du dir noch was?" "Brauche nichts, hab alles", sagte der Hirt.
"Ich habe eine Hose und ein Hemd und ein Paar Winterschuhe und
eine Mütze. Ich kann Flöte spielen, das macht lustig. Meine
Gänse verstehn nicht viel von Musik." Als dann der Tod nach
langer Zeit wiederkam, gingen viele hinter ihm her, die er mitgebracht
hatte, um sie über den Fluss zu führen. Da war ein Reicher dabei,
ein Geizhals, der zeit seines Lebens wertvolles und wertloses
Zeug an sich gerafft hatte: Klamotten, auch Gold und Aktien
und fünf Häuser mit etlichen Etagen. Der Mann jammerte und zeterte:
"Noch fünf Jahre, nur noch fünf Jahre hätte ich gebraucht, und
ich hätte noch fünf Häuser mehr gehabt. So ein Unglück, so ein
Unglück, verfluchtes!" Das war schlimm für ihn. Ein Rennfahrer
war unter ihnen, der zeit seines Lebens trainiert hatte, um
den grossen Preis zu gewinnen. Fünf Minuten hätte er noch gebraucht
bis zum Sieg. Da erwischte ihn der Tod. Ein Berühmter war dabei,
dem ein Orden gefehlt hatte, da holte ihn der Bruder Tod. Das
war schlimm für ihn. Dann war da ein junger Mensch, der hatte
an seiner Braut gehangen, denn sie waren ein Liebespaar gewesen,
und keiner konnte ohne den anderen leben. Ein schönes Fräulein
war dabei mit langen Haaren. Und viele Reiche, die jetzt nichts
mehr besassen, was sie gerne hätten haben wollen. Ein alter
Mann war freiwillig mitgegangen. Aber auch er war nicht froh,
denn siebzig Jahre waren vergangen, ohne dass er das bekommen
hatte, was er hatte haben wollen. Schlimm für sie alle. Als
sie an den Fluss kamen, wo die Welt aufhört, sass dort der Hirt.
Und als der Tod ihm die Hand auf die Schulter legte, stand er
auf, ging mit über den Fluss, als wäre nichts, und die andere
Seite hinter dem Fluss war ihm nicht fremd. Er hatte Zeit genug
gehabt, hinüber zuschauen, er kannte sich hier aus, und die
Töne waren noch da, die er immer auf der Flöte gespielt hatte;
er war sehr fröhlich. Das war schön für ihn. Was mit den Gänsen
geschah? Ein neuer Hirte kam.
aus: Janosch: "Janosch erzählt Grimms Märchen", Beltz & Gelberg,
Weinheim-Basel
Norbert Kölker
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Weitere Zeitzeugen berichten
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Frau F. enschow:
Ein temperamentvoller Gesprächpartner, Streiter, Tröster
und Kämpfer Ich wohnte 1991 mit meinen Kinder (Dirk 12, Alexandra
14) in der Oststraße in Leipzig, als die Schwestern vom Guten
Hirten aus Münster einen kleinen Konvent gründeten und im Oktober
in unser Haus zogen. Wir hatten uns recht schnell mit ihnen
angefreundet und die Schwestern in die oft noch vorhandenen
DDR-Alltags-Tücken eingeweiht. Leider verunglückte im Mai 1992
eine der Schwestern bei einem Autounfall tödlich. Anlässlich
ihrer Beisetzung fuhr ich mit zwei Schwestern nach Münster.
Dort lernte ich Pfarrer Klemens Niermann kennen, der die Messe
für Sr. Anne hielt. Wir waren uns sofort symphatisch und er
lud mich und meine Kinder ein, im Sommer in Ibbenbüren Urlaub
zu machen. Wir verlebten dann den Urlaub im Wersewinkel in Münster
bei den Schwestern vom Guten Hirten, besuchten ihn aber mehrmals
in Ibbenbüren. Pastor Niermann fuhr mit mir nach Ahlhorn, um
das Grab meiner Mutter zu besuchen die 1956 nur Stunden nach
meiner Geburt (in Cloppenburg) verstorben war. Dank der Eintragung
im Kirchenregister fanden wir die Grabstelle, die jedoch leider
vor 1 Jahr überbeerdigt worden war. Meiner Mutter so nah zu
sein, war für mich ein bewegender Augenblick, denn mein Vater
war mit uns 3 Mädchen 1957 in die DDR umgezogen. Pastor Niermanns
selbstlose, hilfsbereite, ganz und gar jedem Menschen gegenüber
offene und unvoreingenommene Art fand ich unbegreiflich. Vor
allem in einer Zeit, in der sich leider jeder selbst der Nächste
ist. Er sorgte u.a. dafür, dass mein Sohn zweimal im Sommerlager
der Mauritius-Gemeinde im Sauerland teilnehmen konnte und jedes
Mal glücklich heimkehrte. Als alleinerziehende, voll berufstätige
Mutter von 2 Kindern war es für mich nicht ganz einfach und
ich war unheimlich dankbar für all die Unterstützung verschiedenster
Art, die uns Pfarrer Klemens Niermann zuteil werden ließ. Für
mich persönlich bedeuteten die vielen Besuche seit 1992 eine
unbeschreibliche und unvergessene Freude. In Pastor Niermann
fand ich einen temperamentvollen Gesprächpartner, Streiter (auch
das konnte er gut), Tröster und Kämpfer. Es gab kein Thema,
welches unangesprochen blieb. Seine Wohnung mit all den Besonderheiten,
Kuriositäten und Erinnerungen - halt ihrem besonderen Flair
- war ein Quell der Freude, Erholung und Entspannung.
Bei meinem ersten Besuch in Ibbenbüren sah ich im Wohnzimmer
seinen zukünftigen Grabstein, auf welchem nur noch das Sterbedatum
fehlte und erschrak fürchterlich. Jahre später, auch als sein
Sarg im Schlafzimmer stand, erschreckte mich überhaupt nichts
mehr. Es passte einfach zu ihm und es war so, wie es war, richtig.
In den letzten 10 Jahren begleitete mich oft mein Lebensgefährte
nach Ibbenbüren, der ebenfalls diesen ganz besonderen Menschen
und die behagliche und reizvolle Atmosphäre in seinem Umfeld
schätzt und beides sehr vermisst. Auch die Stadt Ibbenbüren
war uns regelrecht ans Herz gewachsen. Als ich 1998 wegen einer
Wirbelsäulen-OP im Elisabeth-Krankenhaus weilte, kam er nach
der OP bisweilen in seiner liebenswert poltrigen Art in mein
Krankenzimmer gestürzt, sah mich an und rief: "Du siehst schon
gar nicht mehr krank aus"! … und war im nächsten Augenblick
schon wieder verschwunden. Ich konnte es ihm nicht verübeln,
denn es gab genügend Patienten im Haus, die seinen Beistand
weitaus nötiger hatten. Da ich Pfarrer Niermann zu einigen festlichen
Anlässen in seiner Familie begleiten durfte, lernte ich fast
alle seiner 13 Geschwister kennen und konnte über diesen wunderbaren
Zusammenhalt in dieser großen Familie und den Frohsinn zwischen
den Menschen nur staunen. Seine Schwester Agnes kenne ich seit
1992 (Agnes wohnte im Krankenhaus im 4. Geschoss über der Wohnung
von Klemens Niermann). Wir trafen uns bei jedem Ibbenbüren-Besuch,
redeten gern miteinander und gingen mit Klemens gemeinsam essen.
Als ich von seiner schweren Krankheit um Weihnachten 2006 hörte,
fuhr ich am 30.12. zu ihm. Ich verabschiedete mich von Klemens
zum letzten Mal am Silvestertag 2006. Es war einer der schlimmsten
Tage meines Lebens, als Agnes mich am 6. Februar mittags anrief.
Klemens war für immer eingeschlafen. Für mich stand plötzlich
die Zeit still und ich war wie gelähmt. Mit meiner Tochter Alexandra
(28) nahm ich an der überwältigenden Trauerfeier in der Mauritiuskirche
teil. Über diese unglaubliche Atmosphäre in der Kirche und am
Grab ist viel geschrieben worden, aber ich denke, jeder Mensch,
der in einer Beziehung zu Pfarrer Klemens Niermann stand, hat
sie für sich als etwas ganz Besonderes empfunden. Obwohl sich
Klemens Niermann nur widerwillig fotografieren ließ, sind mir
einige ausdrucksvolle Bilder gelungen. Vielleicht finden sie
Platz in ihrem Buch.
Frieda Lenschow am 07.09.2007
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Stanislaw Skibinski:
Wenn er betete, spürte man sofort Gottes Nähe Ich habe Klemes
Niermann vor 36 Jahren in Polen kennen gelernt, als er dort
"Urlaub mit Pferd" machte. Das war 1971, und seitdem war er
für mich ein sehr guter Freund der mir sehr mächtig geholfen
hat beim Kirchenbau in Szczecin, auf verschiedene Weise. Er
war ein besonderer Mensch, ein Charismatiker, er lebte vor allem
für Gott und arme Menschen. Wenn er betete, spürte man sofort
Gottes Nähe und diese direkte Verbindung zwischen ihm und Gott.
Er war richtig Pastor mit Leib und Seele. Es ist in mir ein
Loch entstanden, seit er nicht mehr mit uns ist.
Stanislaw Skibinski, 19.7.2007, Ibbenbüren
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John Vaclav:
Ich bin der Pfarrer mit dem Renault 12 Meine Kontakte mit P.Klemens
sind in den sogenannten "Dubcek-Zeiten", im Jahr 1968 angefangen.
Damals ist P. Klemens in Prag gewesen, als die Sovjetarmee mit
den anderen "Freunden" (DDR, Polen, Bulgaren, Ungaren) zu uns
als Gegner gekommen sind. P. Niermann ist zu meinem Nachfolger
P.Duda, Pfarradministrator in Kutná Hora-Sedlec (Kuttenberg-Sedletz),
gekommen, um das Knochenhaus zu sehen. P.Duda konnte nicht deutsch
sprechen, deshalb hat ihn P.Klemens zu mir nach Zábori nad Labem
mitgebracht. Also, seit 1968 ist P.Klemens oftmals zu mir gekommen,
besonders dann, wenn es mit den Oratorianern von Leipzig in
Prag zu einer Begegnung gekommen ist (Hilfe mit Geld). P.Klemens
wollte damals auch die griechisch-orthodoxe Kirche kennen lernen,
so sind wir zusammen mit den Pastoral-Assistentinnen Margret
Bringemeier und Anni Wellering in die Ostslowakei gefahren.
Dort in Malcice habe ich meinen Bekannten P.Michal Majovsky
besucht. Mit ihm bin ich als Theologiestudent 1946 in der Schweiz
gewesen. Anderen Kontakt habe ich mit dem Bischof Otcenásek
(Vaterlein-nicht Tchernosek) vermittelt
Dann bin ich der Pfarrer mit dem Renault 12, von dem die Rede
im Interview ist. So konnte ich auch meinem älteren Bruder Frantisek,
der im Riesengebirge als Pfarrer in Trautenau-Oberaltstadt wirkte
( +1990), helfen. P.Klemens hat auch im Januar 1990 in Königgrätz
(Hradec Králové), als unser Bischof nach 40 Jahren endlich als
residierender Bischof eingeführt wurde, teilgenommen. Damals
waren auch Präsident Havel, der Bischof von Münster und Kardinal
Lustiger gegenwärtig. In der Anlage ist ein Foto vom 29.6.1997
bei meinem Goldpriestertum in Hrochuv Tynec. Die Mitra aber
gehört meinem ehemailgen Messdiener in Kutná Hora-Sedlec (1958
- 1964), dem heutigen Weihbischof Mons. Josef Kajnek. Ist das
Foto nicht schön? Links von P. Klemens bin ich, rechts mein
Landsmann Pfr. Franz Kapaun von Weissenfels. Ich bin inzwischen
schon nicht mehr Pfarrer in Hrochuv Tynec, seit 25.10.2006 bin
ich schon Geistlicher-Gehilfe in meinem Geburtsort beim Bruder
Ceska Trebova, Nach 60 Priesterjahren. So, ich denke, das ist
alles, was ich zum Tod von Pfr. Klemens schreiben kann. Mit
echt herzlichen Grüßen im Gebet vereint Ihr Václav John
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Eine Angehörige
: KKlemens Niermann war wie eine alte Holzbrücke, die die Menschen
sicher von einem Ufer zum anderen bringt. Solange der Mensch
den Fluss nicht überqueren muss, steht sie einfach da, und der
Mensch sieht sie vielleicht gar nicht in ihrer Unscheinbarkeit,
weil er sie nicht braucht. Doch plötzlich kommt der Tag, an
dem der Mensch den Fluss überqueren muss, ob er will oder nicht.
Und der Mensch sieht nur die reißende Strömung, die es ihm unmöglich
macht, einfach hinüber zu schwimmen an das andere Ufer, und
er gerät in große Panik zu ertrinken, sobald er nur einen Fuß
in das Wasser setzt. Und da steht sie dann plötzlich. Ganz unscheinbar,
aber so unglaublich stabil. Die alte Holzbrücke. Sie wartet
geduldig und demütig darauf, den nächsten Menschen sicher über
den Fluss zu bringen. Dafür ist sie ja da, weiß sie. Das ist
ihre Bestimmung. Sie fragt nicht, wen sie hinüberbringen soll,
und auch nicht, warum. Sie ist einfach nur da, um Menschen sicher
an das andere Ufer zu bringen. Die alte Holzbrücke weiß gar
nicht, wie wichtig sie für die Menschen ist. Sie steht schon
so lange da, und ist einfach nur ein Freund des Menschen. Vielleicht
ist es die Weisheit des Alters, die ihr diese Demut verlieh
zu glauben, sie sei gar nicht so wichtig. Aber die Menschen
wissen es. Die, die hinübergehen und die, die noch auf der anderen
Seite sind. Es sind die Pfeiler des tiefen Vertrauens und des
unerschütterlichen Glaubens, die jeder Strömung des Flusses
standhalten, und die Strömung einfach in aller Seelenruhe auf
sich zukommen lässt. In tiefer Dankbarkeit Eine Angehörige
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Der Tod und der Gänsehirt - Norbert Kölker
Diese Geschichte ist mir zufällig wieder in die Hände
gefallen. Dabei habe ich sofort an Klemens Niermann gedacht,
da er diese Geschichte mehrfach in der Krankenhauskapelle frei
vorgetragen hat, und zwar so, dass er die jeweils Genannten/Personen
auch durch seine Stimme charakterisiert hat (ernst/ruhig gelassen/wütend).
Und dabei war es dann immer mucksmäuschenstill! (man konnte
die Nähnadel fallen hören, trotz überfüllter Kapelle)
Janosch: Der Tod und der Gänsehirt Einmal kam der Tod über
den Fluss, wo die Welt beginnt. Dort lebte ein armer Hirt, der
eine Herde weisser Gänse hütete. "Du weisst, wer ich bin, Kamerad?"
fragte der Tod. "Ich weiss, du bist der Tod. Ich habe dich auf
der anderen Seite hinter dem Fluss oft gesehen." "Du weisst,
dass ich hier bin, um dich zu holen und dich mitzunehmen auf
die andere Seite des Flusses." "Ich weiss. Aber das wird noch
lange sein." "Oder wird nicht lange sein. Sag, fürchtest du
dich nicht?" "Nein", sagte der Hirt. "Ich habe immer über den
Fluss geschaut, seit ich hier bin, ich weiss, wie es dort ist."
"Gibt es nichts, was du mitnehmen möchtest?" "Nichts, denn ich
habe nichts." "Nichts, worauf du hier noch wartest?" "Nichts,
denn ich warte auf nichts." "Dann werde ich jetzt weitergehen
und dich auf dem Rückweg holen. Brauchst du noch etwas, wünschst
du dir noch was?" "Brauche nichts, hab alles", sagte der Hirt.
"Ich habe eine Hose und ein Hemd und ein Paar Winterschuhe und
eine Mütze. Ich kann Flöte spielen, das macht lustig. Meine
Gänse verstehn nicht viel von Musik." Als dann der Tod nach
langer Zeit wiederkam, gingen viele hinter ihm her, die er mitgebracht
hatte, um sie über den Fluss zu führen.
Da war ein Reicher dabei, ein Geizhals, der zeit seines Lebens
wertvolles und wertloses Zeug an sich gerafft hatte: Klamotten,
auch Gold und Aktien und fünf Häuser mit etlichen Etagen. Der
Mann jammerte und zeterte: "Noch fünf Jahre, nur noch fünf Jahre
hätte ich gebraucht, und ich hätte noch fünf Häuser mehr gehabt.
So ein Unglück, so ein Unglück, verfluchtes!" Das war schlimm
für ihn. Ein Rennfahrer war unter ihnen, der zeit seines Lebens
trainiert hatte, um den grossen Preis zu gewinnen. Fünf Minuten
hätte er noch gebraucht bis zum Sieg. Da erwischte ihn der Tod.
Ein Berühmter war dabei, dem ein Orden gefehlt hatte, da holte
ihn der Bruder Tod. Das war schlimm für ihn. Dann war da ein
junger Mensch, der hatte an seiner Braut gehangen, denn sie
waren ein Liebespaar gewesen, und keiner konnte ohne den anderen
leben. Ein schönes Fräulein war dabei mit langen Haaren. Und
viele Reiche, die jetzt nichts mehr besassen, was sie gerne
hätten haben wollen. Ein alter Mann war freiwillig mitgegangen.
Aber auch er war nicht froh, denn siebzig Jahre waren vergangen,
ohne dass er das bekommen hatte, was er hatte haben wollen.
Schlimm für sie alle. Als sie an den Fluss kamen, wo die Welt
aufhört, sass dort der Hirt. Und als der Tod ihm die Hand auf
die Schulter legte, stand er auf, ging mit über den Fluss, als
wäre nichts, und die andere Seite hinter dem Fluss war ihm nicht
fremd. Er hatte Zeit genug gehabt, hinüber zuschauen, er kannte
sich hier aus, und die Töne waren noch da, die er immer auf
der Flöte gespielt hatte; er war sehr fröhlich. Das war schön
für ihn. Was mit den Gänsen geschah? Ein neuer Hirte kam.
aus: Janosch: "Janosch erzählt Grimms Märchen", Beltz & Gelberg,
Weinheim-Basel
Norbert Kölker
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H. J. Wiggers: Ein Mann für schwierige Fälle
Humanitas, Knoop, ORWI-Druck
Humanitas, Knoop, ORWI-Druck Was habe ich mit Klemens Niermann
erlebt? Ich erinnere mich an eine Situation in den 70iger Jahren:
Böse Buben hatten einen Kleinbus, der mit Mädchen aus Litauen
besetzt war, nach Ibbenbüren gelockt in einen "Schuppen" auf
dem Berg in Ibbenbüren. Diese Mädchen sollten als "Babysitter"
in Deutschland arbeiten. Was aber von den Mädchen wirklich erwartet
wurde, stellte sich dann sofort nach Ankunft an der Rheiner
Straße heraus. Es war Winter und sehr kalt. Ein Mädchen flüchtete
dann noch in derselben Nacht und meldete sich, spärlich bekleidet,
in der Nachbarschaft und bat um Hilfe. Die Anwohner verständigten
die Polizei. Diese nahmen das Mädchen mit auf die Wache. Die
Zuhälter hatten ihr den Pass abgenommen. Die Beamten auf der
Wache waren sehr hilflos und wussten nicht, was sie machen sollten.
Das Mädchen hatte ja nichts verbrochen... Es blieb nur eins:
Klemens Niermann musste her. Klemens wurde dann auch noch in
der Nacht verständigt, nahm das Mädchen mit ins Krankenhaus
und versteckte sie da. Das war nötig, weil sie von den Zuhältern
am anderen Tag gesucht wurden. Wie ein verlorenes Portemonnaie...Nach
ca. einer Woche war die Luft rein. Dann rief Klemens mich an,
wir überlegten, was wir machen könnten. Er sagte, Heinz, lasst
uns zusammenschmeißen und wir kaufen eine Bahn-Fahrkarte nach
Litauen, setzen dann das Mädchen in Hamm in den Zug nach Osten.
Das ist der sicherste Weg für das Mädchen. So haben wir das
gemacht. Das war
Klemens, der Mann für schwierige Fälle.
Heinz - Josef Wiggers
K.H. Klingelhöfer - Ein Vorbild im Sinne eines Heiligen
Ein Vorbild im Sinne eines Heiligen Klemens Niermann: "Was
würde Jesus - jetzt - hier - an meiner Stelle tun? - Deshalb
muss ich das tun!" Klemens Niermann lebte seinen Glauben, war
deshalb glaubwürdig und konnte seinen Glauben weitergeben. "Glaube
und Vernunft" - das große Thema unseres Papstes Benedikt, schon
als er Ratzinger hieß, war auch für mich seit langer Zeit ein
Problem und ist es bis heute geblieben. Philosophische Überlegungen
helfen mir nicht, deshalb sprach ich mit Pastor Klemens Niermann.
Er schaute mich nur an und lächelte ohne Worte. Am nächsten
Sonntag gab er mir die andere Hälfte seiner Hostie. Er und Schwester
Michaela schenkten mir das Buch "Ich glaube, ich zweifle" (Günther
Weber) und ich schenkte ihm zum Geburtstag "Ungewissheit und
Wagnis" von Peter Wust, dem von mir geschätzten Münsteraner
Philosophen. Weiter fühlte ich mich mal wie Don Quixote, mal
wie Sancho Pansa. Aber der Mensch Klemens gab mir zwar keinen
Glauben, keine Sicherheit, aber Vertrauen, trotz so vieler Dinge,
die mich an der kath. Kirche und Rom störten. Klemens Niermann
merkte, wenn einer in Not war und wusste auf seine stille, unaufdringliche
Art zu helfen. Er schenkte mir in einer Zeit der Sorge und Depression
eine große, selbstgemachte Kerze - ein Zeichen ohne Worte. Ich
habe gehört und erfahren, wie er anderen geholfen hat. Klemens
Niermann war fröhlich und humorvoll. Filippo Neri, "der Narr
des lieben Gottes", war ihm ein besonders lieber Heiliger und
sicher auch Franz von Assisi. Fröhlich spielte er Bischof Nikolaus.
Klemens Niermann war in hohem Masse tolerant, befreundet mit
russisch orthodoxen Christen, mit der muslimischen Gemeinde
und insbesondere mit Glaubensbrüdern im Ökumenischen Geist.
Mutig hat er sich oft über kirchliche Weisungen hinweggesetzt
und ist seinem Gewissen gefolgt. So war und ist über den Tod
hinaus Klemens Niermann für mich ein Vorbild im Sinne eines
Heiligen.
Karl Heinz Klingelhöfer am 1.8.07
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Adem
Obuz
Jeder Türke, der Probleme hatte, hat sich an Klemens gewandt
Herrn Pastor Klemens kennen und verstehen Im Grunde genommen
kann man Klemens Niermann beschreiben, wenn man an der Beerdigungsfeier
teilgenommen hat. Die Beerdigungsfeier war prachtvoll, viele
Teilnehmer von vielen Nationen und Religionen, jung, alt, Männer,
Frauen von jeder Schicht. Wir Türken haben ihn auf seinem letzten
Geleit nicht allein gelassen. Wir haben ihm viel zu danken.
Daher haben wir ihn nicht allein gelassen und ihn begleitet.
Wir hätten diesen auch nicht allein gelassen. Wir kennen Klemens
Niermann aus vielen Erzählungen unserer Väter. Er war für diese
immer da. Egal, welche Religion und Weltanschauung diese auch
hatten und noch haben. Er war dafür, dass diese Menschen ihre
Religion frei ausüben dürfen. Er trat für einen zwischenmenschlichen
Dialog ein und hat die Menschen so geliebt, ohne Unterschiede
zu machen. Seine Worte, seine Handlung und sein Charakter haben
uns das immer bewiesen. Wir als Türkische Gemeinde sehnen uns
nach Klemens. Wir suchen seine Wärme und seine Geborgenheit.
Unsere Augen suchen bei allen Festlichkeiten Klemens. Er stand
immer da und hat mit uns die Feste gefeiert. Er hat nie sein
Lächeln und seine Wärme versteckt. In den Anfängen der 60er
Jahre kamen viele Gastarbeiter aus der Türkei. Diese wussten
nicht viel über ihr Gastland. Es war eine Ungewissheit. Sie
kamen mit verschiedenen Kulturen, Sichtweisen, religiösen Weltanschauungen
und Lebensbildern in Deutschland an. Sie hatten viele Probleme,
auch im Alltagsleben.
Wie sollten wir unsere Sorgen zur Sprache bringen. Wir hatten
keinen Gebetsraum und auch keine Moschee damals. Wir hatten
jedoch einen Fürsprecher. Dieser Fürsprecher streckte seine
Hand aus, ohne nachzusehen nach Hautfarbe, nach Sprache, nach
Aussehen und der kulturellen Gegebenheit. Er hat für uns auch
die Kontakte mit der Stadtverwaltung geknüpft. Er hat sich dafür
stark gemacht, dass wir die ersten Räumlichkeiten von der Stadtverwaltung
erhalten haben. Er war es auch, der uns ermuntert hat, mit der
Zeit ein Gebäude zu erwerben. Das ist dann auch geschehen und
mit seiner Hilfe haben wir die heutige Moschee (Ledder Str.)
gekauft. Immer wieder hat er uns ermuntert und uns geholfen.
Klemens zu beschreiben reicht weder Tinte noch Papier, denn
jeder Türke, der Probleme hatte, hat sich an Klemens gewandt.
Er hat mit viel Sorgfalt und Geduld zugehört und versucht, diese
Probleme zu lösen, ohne jemandem weh zu tun. Er hat niemals
sein Gesicht abgewendet oder seine Türen verschlossen. Die Türen
bei Clemens waren immer offen. Er ruht jetzt in Frieden und
unsere Gebete sind mit ihm. Bei unseren Festlichkeiten, bei
Sterbefällen und auch bei Hochzeiten ist er nicht bei uns, er
ist jedoch in unseren Herzen. Lieber Klemens Gott sei mit Dir.
Im Namen der Türkischen Muslime Adem OBUZ - Vorsitzender der
Ditib Gemeinde zu Ibbenbüren e.V.
Adem Obuz
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Hans-Jürgen Himstedt: - Klemens Niermann und Frére Roger von
Taizé
Am 18.3.1977 haben wir in der St. Magdalena-Pfarrkirche
in Laggenbeck geheiratet. Da wir mit Klemens Niermann sehr verbunden
waren, hatte er die Trauung geleitet und mit einem festen Knoten
unsere Hände umbunden. In den anschließenden Osterferien wollten
wir, Elisabeth und ich, mit Klemens nach Tholey-Theley zu Dr.
theol. Willi Massa, um dort die Kar- und Ostertage zu begehen.
(Dr. Massa *2.10.31, + 25.2.01, seit 1947 intensive Einübung
christlicher Meditationsformen, Zen-Praxis bei Pater Lasalle,
Graf Dürckheim und japanischen Meistern, Hauptinteresse: spirituelles
Leben)
Elisabeth Himstedt berichtet:
"Noch vor dem Frühstück klingelte das Telefon. Mein Schwiegervater
war in der Leitung und berichtete aufgeregt, dass Klemens an
der Grenze in der DDR verhaftet worden sei. Erst bei unserer
Hochzeit hatten sie (Schwiegervater u. Niermann) sich kennengelernt.
Mein Schwiegervater war damals bei der Kripo in Münster beim
14. Kommissariat, das sich mit Vergehen der DDR und Verbrechen
an der innerdeutschen Grenze beschäftigte. Was nun? Ein dicker
Kloß steckte in meinem Hals und ließ sich nicht herunterschlucken.
Sorge, Angst und Wut verwandelten sich in ein: Wir müssen etwas
tun! Alle Leute, die wir für wichtig hielten, wurden informiert
und eingeladen. Wir hatten nicht genug Stühle und unser kleines
Wohnzimmer war an diesem Abend überfüllt. Herr Eggenstein (Leiter
der Berufsschule in Ibbenbüren) saß auf dem Schreibtischstuhl
meines Mannes. Er war sehr klein, mein Mann dagegen groß und
so baumelten seine Beine nervös hin und her. Wir planten eine
Groß-Demo auf dem Marktplatz, Informationen in den Kirchengemeinden.
Alle Berufsschüler wurden mit eingeplant. Presse, Rundfunk,
Politik und Bistum wurden angeschrieben und informiert. Dieser
Ungerechtigkeit musste begegnet werden. Viele wichtige Persönlichkeiten
des öffentlichen Lebens wurden angeschrieben und um Hilfe gebeten.
Mein Schwiegervater hielt uns - soweit er konnte - auf dem Laufenden.
Pfarrer Rüster hielt aus unserer Gruppe die Verbindung zum Bistum.
Von dort kam schließlich die Mitteilung ‚Ruhig bleiben, wir
verhandeln.' Und doch sollten 6 Monate vergehen, bis Klemens,
abgemagert und um Jahre gealtert, mich im Krankenhaus besuchte:
unser Sohn Christian war geboren." Ich hatte damals übernommen,
Frére Roger in Taizé zu informieren und um Hilfe und Fürsprache
oder Protest zu bitten. Damals erhielten wir einen Brief, datiert
vom 6.4.1977, von Bruder Rudolf. Er bat uns, den Brief nicht
zu veröffentlichen, aber ich denke, heute leben die meisten
Beteiligten nicht mehr und die DDR existiert nicht mehr, dass
wir den Brief nun bekannt machen können. Nach Thorley im Saarland
sind wir dann allein gefahren. Es war ein trauriges Osterfest
1977, mit vielen Gedanken an Klemens, der dort im Hause Massa
ein gern gesehener Gast war. Viele dort machten sich mit uns
Sorgen und so kehrten wir schnellstens nach Ibbenbüren zurück.
Hans-Jürgen Himstedt
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Anhang: Brief von Bruder Rudolf
F-71460 Taizé-Communaté am 6.4.1977 Lieber Herr und Frau
Himstedt!
Am 18.3.1977 haLieber Herr und Frau Himstedt! Frére Roger
lässt Ihnen sehr herzlich für Ihren Brief danken. Er spricht
selbst nicht deutsch, darum bat er mich, Ihnen darauf zu antworten.
Gern werden wir für Bruder Klemens Niermann im Gottesdienst
beten. Die Karwoche und die Osterwoche sind für uns die wichtigsten
Wochen im Jahr. Wir feiern Kreuz und Auferstehung. Und alles
Leben, von dem wir selber leben, und von dem wir möchten, dass
es alle Menschen ergreift, kommt aus dieser Feier. Hier ist
ein Text von Johanna. Sie gehörte zu der Gruppe, die in Kalkutta
den Zweiten Brief an das Volk Gottes geschrieben hat. In diesem
Text versucht sie ihre Erfahrungen mit den Lebensverhältnissen
in der Bundesrepublik in Beziehung zu setzen. Mit den Menschen
in der DDR und den anderen osteuropäischen Ländern verbindet
uns sehr viel, darum möchte ich eine Bitte anfügen: Bitte verwenden
Sie unseren Namen bei einer Pressekampagne nicht, und veröffentlichen
Sie auch bitte nicht diesen Brief, denn das hätte Folgen für
eine ganze Reihe Menschen, mit denen wir verbunden sind. Wenn
wir aber in anderer Weise, als durch eine Unterschrift den "Kampf"
mit Ihnen führen können, so lassen Sie uns dies bitte wissen.
Darauf wollen wir uns gerne einlassen. Ich weiß nicht, ob wir
uns persönlich kennen. Wenn Sie wieder einmal nach Taizé kommen,
würde ich mich freuen, wenn Sie auf mich zukommen würden. Sie
finden mich am Ende vom Nachmittag meistens im Empfangszelt.
Vielleicht ist dieser Brief der Beginn einer Verbindung, auf
der wir uns auf unserem gemeinsamen Weg gegenseitig stützen
können. Sehr herzlich grüße ich Sie Ihr Br. Rudolf
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Chr. Komande: Nicht nur Kalorien, sondern auch seelische Betreuung
und moralische Unterstützung Mombasa, den 3.12.07
Meine Erinnerungen an Pfarrer Klemens Niermann Ich habe
1985 Pfarrer Klemens Niermann bei häufigen Mittagessen zusammen
mit anderen in der Cafeteria des St. Elisabeth-Krankenhauses
- Ibbenbüren, wo ich meine Facharztausbildung machte, kennen
gelernt. Mit Pfarrer Niermann waren die Mahlzeiten nicht nur
Kalorien nachzufuttern, sondern wir bekamen auch seelische Betreuung
und moralische Unterstützung. Er war der Meinung, dass engagieren
ist, nie zu kapitulieren. "Als Arzt werden Sie kranke Menschen
betreuen, egal wo" sagte er uns. Die Kapelle im Krankenhaus
war für mich eine große Überraschung, als der Pfarrer mich durchführte.
Als er meine Frau kennenlernte, fragte er mich immer wieder,
wie es meiner Familie ginge, dass wir zwei Kinder hatten, war
für ihn eine große Freude. Pf. Niermann begeisterte sich sehr
für mein Deutsch. Am 28.5. 1990 überwies Pf. Niermann die erste
Rate für meine Facharztausbildung im Krankenhaus Burg durch
die Staatsbank der DDR. Er wünschte mir guten Erfolg. Im Mai
1991 machte ich meine Facharztprüfung in Magdeburg mit Erfolg
und dort erhielt ich eine URKUNDE über das Recht zum Führen
einer Arztbezeichnung als Facharzt und damit war ich berechtigt,
mich Facharzt für Chirurgie zu nennen, was immer mein Traum
war. Pfarrer Niermann war stolz auf meinen Erfolg und mit so
einer Hochmutigkeit kaufte er mir ein Auto, damit ich in Kenia
schnell bei einem Patienten ankommen kann. Nicht zu vergessen,
dass seine geliebte Schwester ebenfalls Bekleidung kaufte für
meine Ehegattin Larisa.
Die Besorgtheit von Pfarrer Niermann um mich merkte ich noch
über letzte telefonische Gespräche im Dez. 2004 beim Besuchen
des Kreiskrankenhauses Reichenbach. MAY THE ALLMIGHTY LORD REST
HIS SOUL IN ETERNAL PEACE. Dr. med Christopher Komande
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Christel Kolodziej
Wir werden sicher gute Freunde werden
Am 6.2.1990 begegnete ich Pfarrer Niermann zum ersten Mal
im St. Elisabeth-Hospital. Er tröstete mich liebevoll in meiner
Trauer, denn mein Vater war gerade verstorben. Wir beteten gemeinsam
das Gebet des Herrn. Er sprach noch und segnete Vater. Das hat
so gut getan. Bleib noch eine Weile bei Vater sitzen, forderte
er mich auf und ging weg. Herzklopfend schellte ich nach Tagen
an seiner Wohnungstür. Mit einem Blumenstrauß wollte ich Danke
sagen. Er öffnete die Tür und lächelte mich an. Komm nur rein,
sagte er freundlich. Ich stammelte ängstlich, Danke Herr Pfarrer
für die Worte, die so tröstlich für mich waren. Priester waren
für mich immer etwas Besonderes. Den Herrn lassen wir weg, sagte
er, unter Schwestern und Brüdern sagen wir hier du zueinander.
Das ging bei mir nicht so schnell. Dann erzähle doch mal! Noch
sehr zurückhaltend erzählte ich von meinen Eltern, wie Mutter
mit uns auf die Flucht gehen musste mit uns zwei Kindern, Vater
war im Krieg. So erzählte ich drauf los, dass ich bei dem Textilhaus
Bitter arbeite in der Konfektionsabteilung. Ach ja, sagte er,
Adalbert Bitter ist mir ein guter Freund - dass ich schon viele
Jahre verheiratet bin - von der Schulzeit und noch vieles mehr.
Auch erzählte ich von einem Priester aus der Schulzeit. Beim
Religionsunterricht musste ich das Klassenzimmer verlassen,
weil ich nicht katholisch war. Traurig und weinend ging ich
dann von dannen. Bis Mutter mal mit dem Priester gesprochen
hat, dann durfte ich da bleiben. Pfarrer Niermann wurde ganz
still, dann sagte er laut: Das hat der Priester mit dir gemacht!
Noch so viele Fragen folgten. Seine sehr verbindliche Art gefiel
mir. So ging ich am folgenden Sonntag in die Kapelle zum Gottesdienst.
Ängstlich ging ich durch die Vorhalle, wo ein Brunnen stand.
Im Schatten an der Tür ruft eine Stimme freundlich und einladend:
Komm nur näher Christel, nicht so ängstlich, wir werden sicher
gute Freunde werden. Wir begrüßten uns herzlich. In der Kapelle,
in der Sakristei ertönten Gregorianische Gesänge, die mich und
meine Seele berührten. Still setzte ich mich in eine Bank, um
hören zu können. Der Gottesdienst begann. Zum ersten Mal hörte
ich Pfarrer Niermann predigen. Schwester Michaela hat so schön
gesungen. Rundum fühlte ich mich sehr geborgen und angenommen.
Der Ablauf der hl. Messe hat mich begeistert, der Funke war
übergesprungen. Die verbindliche und liebenswerte Art des Glaubensbekenntnisses
von Pfarrer Niermann in Predigten und Gesprächen führten mich
begeistert in sonntägliche Gottesdienste. Der rote Faden geht
weiter. So habe ich durch Zuhören viel gelernt. Auch das Klosterleben
durfte ich kennen lernen, die Wochenenden in Stille und Gespräch.
Denn nur in der Stille kann man Gott erfahren. Alles hat mich
begeistert, der Gesang der Mönche in ihrer Einfachheit, das
Gebet, die Gemeinschaft, eben alles. So lernte ich viele Freunde
kennen. Eine besondere Freundin ist mir die Schwester von Pfarrer
Niermann, Agnes Niermann, geworden, eine liebenswerte, gläubige
Frau. Sie hat die Gabe, Menschen zu begeistern mit ihren Talenten.
Sehr schön waren die Meditations-Abende. Klemens schenkte allen
in der Gruppe ein Bildchen, im Überraschen war er großzügig,
alles wurde sehr gut vorbereitet.
Mein Bildchen war ein Kirschzweig, darauf stand: Kein Ding ist
hier noch dort, das schöner ist als ich, weil Gott die Schönheit
selbst sich hat verliebt in mich. (Angelius Silesius). In diesen
Gott habe ich mich schon als Kind verliebt. Eines Tages nahm
ich allen Mut zusammen, fragte bescheiden, ob es erlaubt ist,
wenn ich konvertieren würde, ich möchte dazugehören zu Euch
allen. Klemens sagte, kein Problem, du darfst alles. Mein Gefühl
war, er freute sich über meinen Entschluss. Ach, war das aufregend
für mich. Mit seiner Hilfe habe ich alles geschafft. Meine Gebete
wurden erhört, Gott gab mir viel Kraft zum Neuanfang. Pfarrer
Niermann kam uns besuchen, um auch meinen Mann kennen zu lernen.
Ja, wir wurden gute Freunde. Der große Tag kam näher, es war
Freitag, der 02. September 1990 in der Freitagsmesse. Eine der
Zwillingsschwestern meine Chefs, Annette Bitter, war als Patin
eingeladen. Verwandte von Agnes, Michaela und gute Freunde waren
gekommen. Alles war gut vorbereitet und gerichtet. Ich war aufgeregt
wie ein kleines Kind. Pfarrer Niermann legte uns die Hände auf.
Der größte Moment war die Hlg. Kommunion zu empfangen und das
Kreuzzeichen zu machen, Gottes Segen zu erhalten, mit meinem
Mann Horst zusammen vor dem Altar zu knien. Unvergesslich diese
Stunde der Andacht. Danke. Oft werde ich gefragt, warum hast
Du konvertiert? Meine Antwort: In der Taufe habe ich meinen
Glauben erhalten, erzogen von den liebsten Eltern der Welt.
Gott hat mich und meinen Namen Christa in seine Hand geschrieben.
Hinter dem Konfessionswechsel stehe ich voll. Ich möchte meinen
Glauben leben und auch für den nächsten da sein. Gott kennt
mich, ich bete täglich, dass ich noch lange zur Kirche gehen
kann und auch vielen Menschen helfen. Mit seiner Hilfe und Kraft
durfte ich viele Begegnungen erfahren. Ich durfte nochmal anfangen
dazu zu lernen, Freunde haben mir dabei geholfen. Seminare besucht,
Zertifikate erhalten von Bischof Lettmann, damit dem Ehrenamt
nichts im Wege stand. Pfarrer Niermann fragte, ich welcher Kirche
möchtest du ehrenamtlich arbeiten und tätig sein. In St. Ludwig,
heute Hlg. Kreuz und bei Euch in der Kapelle. Der rote Faden
ging weiter in den kommenden Jahren. Klemens sagte zu seiner
lieben Schwester Agnes, am kommenden Sonntag führst du Christel
zum Kommunions-Austeilen auf den Stationen ein.
Ich hörte gut zu, ihre Stimme bewegte mich. Sonntags später
durfte ich schon alleine gehen. Pfarrer Niermann reichte mir
ein weißes Gewand, das ich anziehen sollte. Darf ich das, wieder
sagte er: du darfst alles, du siehst aus wie ein Engel! Mit
Herzklopfen klopfte ich an die Patiententür, komisch, die Aufregung
war weg. Das Gebet gesprochen, reichte ich mit Hingabe die Kommunion.
Die kranken Menschen sind sehr dankbar, wenn wir zu ihnen kommen.
In die Frauengemeinschaft St. Ludwig wurde ich herzlich zur
Mitarbeit aufgenommen. Viele Gruppen habe ich besucht und das
Lernen nahm kein Ende. Alle Begegnungen mit lieben Menschen
waren herzlich, natürlich gab es auch Meinungsverschiedenheiten.
Zehn Jahre Bibelabende, viele Gespräche mit Frau Lohage. Durch
die Bibelarbeit lernte man tiefer mit dem Glauben zu leben.
Ich fragte bescheiden Pfarrer Weber, ob ich auch Lektorendienst
ausüben darf. Meine Freude war groß als er ja sagte. Denn die
liturgischen Dienste liebte ich besonders. Langeweile kam nicht,
lernte viele Mitarbeiter kennen und Hilfe von mir war immer
sehr gefragt. Alles machte große Freude. Ärger gab es auch schon
mal, wie in einer Ehe. Das Austeilen der Kommunion entlastete
Pfarrer Niermann. Denn das letzte halbe Jahr merkte man, es
ging ihm nicht gut, wenn man fragte: Christel, es geht mir nicht
gut. Das war Klemens der Menschenfischer, für alle da sein.
Doch er nahm jetzt schon mal Hilfe an. Etwas später hörte ich
dann von seiner Schwester Agnes die Nachricht, dass Klemens
bei einer Untersuchung eine ganz schlimme Diagnose erhalten
hatte. Und das war vor seinem 50. Priesterjubiläum, das er dann
nicht mehr erleben konnte. Denn die Krankheit wurde täglich
schlimmer. Es wurde immer stiller in der Kapelle. Im Gebet waren
wir alle bei ihm. Persöhnlich durfte ich mich von ihm verabschieden.
Seine vertraute, liebe Stimme war leise, von Krankheit gezeichnet.
Er sprach zu mir: Christel, der Tod gehört zum Leben, danke
für alles. Ich habe zu danken für den Glaubensweg, den du mir
gezeigt hast. Ich nahm ihn in den Arm. Draußen vor der Tür rollten
mir die Tränen. Ja, er war Priester und Seelsorger mit Leib
und Seele. Die Nachricht vom Tod erschütterte uns alle. Viele,
viele Menschen hatten ihn lieb gewonnen. Seine mitmenschliche
Hilfsbereitschaft und mitmenschliche Einstellung waren hoch
geachtet und sehr beliebt. 17 Jahre, eine lange Zeit, Du bist
für mich nicht im Tod. Du lebst jetzt in einer besseren Welt,
Du bist vom Dunkel ins Licht gegangen. Ich erinnere mich an
eine Predigt von Dir mit den Worten: Das wi ein Fest sein, wenn
wir tanzen, singen und lachen und uns wieder sehen, daran glaube
ich, von ganzem Herzen, mein Freund. Wenn ihr wüsstet, wohin
ich gehe, wäret ihr nicht traurig, denn mein Weg führt ins Licht.
Der letzte Gruß an uns alle. Christel Kolodziej
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-Gisela Franke
Siegfried, obdachlos - Heute begegnet mir Jesus in diesem
Menschen
Im Winter 1985 zog Klemens sich plötzlich für einige Wochen
zurück. Er war seltener zu sehen und wenn, dann hatte er es
eilig. Nach 6 Wochen lüftete er sein Geheimnis. Klemens stellte
uns allen Siegfried vor. Siegfrieds Geschichte ist sicher die
von vielen Obdachlosen. Trennung von der Frau, Alkohol, Arbeitsplatz
verloren und dann der Abstieg. Ein einsamer Berber, der keinem
Menschen mehr im Leben traute.
Klemens hatte ihn in der Blumen-Bendik-Passage gefunden. Es
schneite und Siegfried hatte sich dort zum Schlafen hingelegt.
Anstatt Handschuhe hatte er seine Socken über die Hände gestreift.
In solchen Situationen dachte Klemens dann oft: "Heute begegnet
mir Jesus in diesem Menschen". Siegfried kannte schon lange
keine Menschenliebe mehr. Mit Klemens mitgehen, nein. Er schimpfte
Klemens aus: "Lass mich in Ruhe, und scher Dich zum Teufel".
Aber Klemens konnte genauso stur sein, wenn es um Jesus ging.
Und irgendwann gab Siegfried schließlich nach. 6 Wochen brauchten
die beiden, bis Siegfried Klemens akzeptierte, und Klemens Siegfried
so menschlich, innen wie außen, gemacht hatte, das er ihn überall
mit hinnehmen konnte. Die erste Woche war wohl die schlimmste,
Siegfried ging nicht in die Badewanne. Er hatte natürlich sofort
Klemens Bett bekommen. Das gab Klemens immer den anderen und
er schlief auf das Sofa. Die ganze Wohnung stank. Nach einer
Woche das erste Bad. Klemens war ja sehr praktisch veranlagt,
Siegfried in die Badewanne, alle Klamotten entsorgt und ihm
neue aus der Kleiderkammer und von sich gegeben. Die Zeit reichte
auch für neue Bettwäsche, das ganze Bettzeug musste später entsorgt
werden. Aber Klemens sorgte für Siegfried. Auf einmal bekam
dieser regelmäßige Mahlzeiten, Klemens vergaß auch nicht den
Schnaps, den Siegfried brauchte. Siegfried spürte noch einmal
in seinem Leben Fürsorge, wo er keine Hoffnung gehabt hatte.
Siegfried bekam dann nach zwei Monaten sein eigenes Zimmer,
aber das war ja auch eine Trennung von Klemens, aber es ging.
Wie Klemens immer diese Wohnungen besorgte, sind Geschichten
für sich. Das Einrichten war ja stadtbekannt. Das kleine Auto
und ein paar Hände, die auf dem Dach einen Schrank fest hielten.
Und Klemens zuckelte spät abends durch die Stadt. Sogar die
Polizei drückte beide Augen zu.
Siegfried fühlte sich etwas einsam und er bekam seinen Wunsch
nach einem Wellensittich erfüllt. Siegfried ging bei dem großen
Freundeskreis von Klemens ein und aus, aber Klemens war sein
Mittelpunkt. Bei ihm strahlten seine Augen. Mundharmonika spielen,
das war für ihn eine Freude und ärgerlich wurde er, wenn Cesare
sie ihm wegnahm und selber spielte. Irgendwann kamen wir ihm
auf die Schliche, dass er uns (Gisela u. Matthias?)immer der
Reihe nach um Geld für Tabak und Schnaps anging, aber Abhilfe
wirkte nicht. Da konnte Siegfried am Monatsende auch schon mal
auf Spiritus umsteigen. Des öfteren musste ich ihn aus der Krankenhauskapelle
aus dem Sonntags-gottesdienst abholen. Er war dann noch etwas
betrunken und verfiel in einen lautstarken Monolog über Klemens,
der am Altar stand. Aber er ging dann auch immer brav mit mir
(Gisela) nach Hause. Sicher konnte er sich auch lautstark seiner
Haut wehren, aber zu uns war er immer sanft wie ein Lamm. Eine
Episode bestätigt das sicher. Kirmes in Ibbenbüren, Siegfried
betrunken und regungslos am Boden. Ab ins Krankenhaus, Intensivstation.
Er wird wach und hat auf einmal eine Schreckschusspistole in
der Hand und hält Krankenschwestern und Ärzte in Schach. Ein
Arzt griff zum Telefon: "Klemens du musst sofort kommen". Im
Nachhinein haben wir über die Situation oft Tränen gelacht.
Klemens hat die Pistole dem Siegfried genommen, dann Siegfried
zu Hause ins Bett gesteckt und wie nun weiter? Die Pistole war
geladen und entsichert. Also, Klemens hat im Seelsorge-Büro
das Ding durchs Fenster abgefeuert und es dann entsorgt. Wir
haben nie rausbekommen, wie Siegfried an die Pistole gekommen
war. Es war Herbst und Siegfried wurde immer unruhiger. Er verschenkte
seinen Wellensittich, sprach immer öfter davon, wieder unterwegs
sein zu müssen, es nicht zu schaffen, sesshaft zu sein. Sein
kleines Fahrrad war gepackt. Siegfried nahm Abschied und das
im November. Still wie er gekommen war, besuchte er uns alle
noch ein Mal, kaufte von seinem letzten Geld eine Birkenfeige
(Topfpflanze) und stellte diese auf den Tabernakel und fuhr
los. Am 19. Dezember 1986 bekam Klemens die Nachricht, dass
Siegfried bei einem Schwelbrand im Obdachlosenheim bei Giffhorn
erstickt ist. Er oder sein Mitbewohner ist wohl mit der Zigarette
eingeschlafen. Zwei Tage später traf die Weihnachtskarte von
Siegfried mit Grüßen an uns alle bei Klemens ein. Am 23. Dezember
sind wir zu seiner Beerdigung gefahren und haben dort seine
Schwester kennen gelernt. Viele von den Berbern nahmen teil.
Klemens segnete noch mal den Sarg und wir fuhren wieder nach
Hause. Ohne Siegfried hätten wir auch nie dieses Haus (Oststr.
4) kennen gelernt und ganz viele Dinge nie begreifen können.
Wir alle haben viel durch Klemens und Siegfried gelernt.
Gisela Franke
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Marlies Brunzema, ev. Pfarrerin "Ist Jesus katholisch oder evangelisch?"
Klemens Niermann , 25 Jahre Berufsschulpfarrer und Religionslehrer
an den berufsbildenden Schulen (heute Berufskollegs) des Kreises
Steinfurt in Ibbenbüren - Religionslehrer/innen mit ihm unterwegs
und gelebte Ökumene - Zwei Wegbeschreibungen Eine evangelische
Kollegin 1965 nahm ich meinen Dienst als evangelische Religionslehrerin
in den kaufmännischen und gewerblichen Klassen der Berufsbildenden
Schulen in Ibbenbüren auf. Religionsunterricht wurde im Kollegium
kritisch beäugt, eine "Himmelskomikerin" mehr hieß es. Mit Klemens
Niermann als Religionslehrer kam ein "Wirbelwind" an die Schule,
der durch seine Persönlichkeit den Rel.- Unterricht im Kollegium
aufwertete. Daraufhin wurde der Zusammenhalt unter den kath.
und ev. Religionslehrern größer. Wir starteten gemeinsame Aktionen
wie z. B. die Einladungen an die kath. und ev. Kirchenleitungen
zu dem Thema: "Ist Jesus kath. oder ev.?" Die Kirchenleitungen
gaben uns weitgehend freie Hand für neue Formen des Rel. -Unterrichtes.
Die Klassen ließen sich nicht mehr so einfach nach Konfessionen
trennen; sie wollten durch den Rel.- Unterricht die Gemeinschaft
untereinander stärken. Aus den "Resträumen" für den Rel.-Unterricht
wurden im neuen Gebäude durch Klemens Niermann Anstöße zwei
schöne Fachräume für den Rel.- Unterricht, die zu Vorzeigeräumen
für SchülerInnen und die Schulleitung wurden. Die Zuwendung
von Klemens Niermann zu einzelnen SchülerInnen und Lehrkräften
in persönlichen Situationen wirkte prägend, beeindruckend und
ermutigend. Ende der 60-iger Jahre bekam ich die Chance zu einer
theologischen Ausbildung.
Auch Klemens Niermann hat mir zu dieser Ausbildung viel Mut
zugesprochen und hat mich in diesem Beruf unterstützt. Meine
Ordination zur Pfarrerin wurde von den Kollegen beider Konfessionen
sehr begrüßt und herzlich mit gefeiert. In der Fachschule für
die Erzieherinnen gaben Klemens Niermann und ich gemeinsamen
Rel.-Unterricht. Die Schulleitung war darüber nicht erfreut.
Wir aber hielten den gemeinsamen Unterricht für die SchülerInnen
erforderlich, die ihre Praktika u. U. in einem Kindergarten
in anderer konfessioneller Trägerschaft absolvierten und somit
die Möglichkeit hatten in diesem Rahmen mehr über die andere
Konfession zu erfahren bzw. nachzufragen. K.N. hatte über mehrere
Jahre in Klöstern und in der Wüste Meditations-Erfahrungen gesammelt
und auch mich damit bekannt gemacht. Es brauchte Zeit, bis ich
als Evangelische dazu Zugang gefunden habe. Im Meditationszentrum
in Tholey / Saarland haben wir dann gemeinsam mit Fachschulklassen
"Meditation mit Kindern" erlebt, diskutiert und über Jahre erprobt.
Im Rel.-Unterricht vieler Klassen wurden mit unterschiedlichen
Symbolen die Sinne der SchülerInnen immer stärker angesprochen.
Klemens Niermann gab den Anstoß zu einem anschaulichen "Bibel
erleben" im Unterricht in Form von Symbolen wie z.B. Ikebana,
Brot teilen, Steine mit hebräischen Buchstaben "Jahwe" beschreiben,
Kerzen ziehen etc.; denn nicht nur durch das Wort allein stieß
das Evangelium bei den SchülerInnen auf positive Resonanz. Klemens
Humor spielte im Umgang mit allen Menschen eine große Rolle,
auch im Hinblick auf seinen Priesterstand. Es ging ihm in seiner
Bescheidenheit nicht um Amt und Würden, sondern um das Handeln
im Sinne Christi. "Was würde Jesus jetzt an meiner Stelle tun?",
diese Frage allein war ausschlaggebend für sein Handeln. Sein
Handeln war nicht spektakulär, sondern geschah im Verborgenen
für den Menschen. Hierbei hat er sich nicht von Gesetzen oder
Vorschriften abschrecken lassen. Er war im Sinne Jesu für alle
Menschen da und hat sich für sie eingesetzt ohne Rücksicht auf
evtl. persönliche Nachteile. Unter diesem Aspekt ist auch sein
ökumenisches Engagement zu sehen für Moslems, für Juden und
für unterschiedliche christliche Konfessionen Ich bin Gott dankbar
für sein Leben, dass ich eine Wegstrecke als Kollegin mit ihm
gehen konnte und für seine vielen Anstöße, den christlichen
Glauben in die Tat umzusetzen gemäß seiner Maxime "Was würde
Jesus jetzt an meiner Stelle tun?"
Marlies Brunzema, ev. Pfarrerin
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Wolfgang Pohle, Relig.-Lehrer, Krankenhaus-Seelsorger
Klemens Niermann , 25 Jahre Berufsschulpfarrer und Religionslehrer
an den berufsbildenden Schulen (heute Berufskollegs) des Kreises
Steinfurt in Ibbenbüren - Religionslehrer/innen mit ihm unterwegs
und gelebte Ökumene Ein katholischer Kollege
Als wir 1968 in Ibbenbüren heirateten, war es für mich klar,
dass mein beruflicher Mittelpunkt Münster bleiben würde. Obwohl
wir inzwischen im Hause meiner Schwiegermutter die Wohnung renovierten,
konnte ich mir nicht vorstellen, auf Dauer in Ibbenbüren zu
wohnen und zu arbeiten. Auch ein Gespräch mit Klemens, das wir
beim Tapezieren unseres Wohnzimmers führten, konnte mich für
Ibbenbüren nicht begeistern. Doch ich war einem Menschen begegnet,
der mit Leib und Seele Religionslehrer war. Es dauerte nicht
lange, da stellten wir fest, dass unsere Vorstellungen von Kirche,
Gemeinde und Religionsunterricht sich weitgehend deckten. Aber
auch auf der zwischenmenschlichen Ebene waren wir schnell miteinander
vertraut. War das ein Grund nach Ibbenbüren zu gehen? Was auch
immer mich geritten hat, nach drei unruhigen Nächten habe ich
sein Angebot angenommen und ging für meine Begriffe "auf's Dorf".
Bekannte und Freunde konnten meine Entscheidung nur schlecht
nachvollziehen. Damit öffneten sich meinem Lebensweg zwei neue
entscheidende Perspektiven. Zunächst ist da die Begegnung mit
dem Pfarrer von St. Ludwig, Bernhard Honsel und besonders die
Möglichkeit, in dieser Gemeinde mit meiner theologischen Kompetenz
mitarbeiten zu können. Diese Gemeinde wurde für mich zur geistlichen
Heimat. Dann die Arbeit in den berufsbildenden Schulen des Kreises
Tecklenburg. Hier öffneten sich für mich Räume in großer Freiheit
neue Wege im Religionsunterricht zu erkunden. Dabei fand ich
in Klemens Niermann einen Kollegen, der vor Phantasie sprühte
und immer wieder mit verrückten Ideen Bewegung in den Schulalltag
brachte. Ein Wort galt für uns beinah uneingeschränkt: Geht
nicht, gibt's nicht.
Als ich mich im Juli 2005 aus der Schule verabschiedete, konnte
ich sagen, dass die Zeit - es waren immerhin 35 Jahre - gute
und schöne Berufsjahre waren. Daran hat Klemens Niermann einen
wesentlichen Anteil. Ich kann dafür einfach nur Danke sagen.
25 Jahre seines Berufslebens bis zur Pensionierung war Klemens
Niermann Religionslehrer und Berufsschulpfarrer an den beruflichen
Schulen des Kreises (Tecklenburg) Steinfurt in Ibbenbüren. Das
bedeutete damals 26 Unterrichtsstunden pro Woche nur Religionslehre
und zwar sicher in mindestens 18 Klassen. Der Religionsunterricht
in der Berufsschule ist zwar in der Verfassung garantiert. Aber
was heißt das schon, wenn es um Stundenpläne und andere organisatorische
Fragen geht oder gar um eine Freistunde für die Schüler oder
eine Springstunde für die Lehrer. Es gibt kein Fach in der Schule,
wo der Lehrer sich ständig mit dem Inhalt identifizieren muss,
wo er mit seiner Person dafür gerade steht, was er lehrt, wie
es im Fach Religionslehre der Fall ist. Aussage eines Schulleiters,
der versucht hatte RU zu erteilen, um die Unterrichts-befähigung
zu erwerben: Ich habe das aufgegeben, weil es mir zu schwer
war. Dieser Anforderung stellte sich Klemens Woche für Woche.
In den Jahren von 1967 bis in die Mitte der 70-er Jahre musste
der Religionsunterricht politisch gerechtfertigt werden, da
von außen seine Berechtigung in der Berufsschule immer wieder
in Frage gestellt wurde. Daher wurde immer wieder - auch von
der Kirche - betont: Religionsunterricht ist in erster Linie
Unterricht. Er wurde scharf von der kirchlichen Katechese abgegrenzt.
Für Klemens aber hatten die Bedürfnisse der Jugendlichen, ihre
Fragen und Nöte Vorrang vor solchen bildungspolitischen Kategorien.
So waren wir uns einig, dass wir Religionslehrer immer Lehrer
und zugleich Seelsorger sind. Er brachte in den RU und in die
Schule seine Phantasie ein. Die Themen erwuchsen aus den Fragen
und Nöten der Schülerinnen und Schüler. Aber Klemens hatte auch
eine Botschaft, die Frohe Botschaft Jesu. In Klemens leuchtete
die Menschenfreundlichkeit Gottes jedem, dem er begegnete entgegen.
Gottesdienst war für viele Jugendliche auch vor vierzig Jahren
schon in der Sprache und den Gesten schwer zugänglich. So lud
er die Jugendlichen klassenweise ein, im Religionsraum (auch
eine Idee von ihm) Eucharistie zu feiern. Sie kamen freiwillig.
Im Nachbarraum lief parallel ein Film. Nur wenige nahmen das
Filmangebot an. Und am Ende fragten sie: Wann tun wir das wieder?
Er begegnete seinen Schülerinnen und Schülern mit großer Offenheit.
Sein Gesicht strahlte ihnen entgegen und öffnete ihre Herzen.
Viele fassten sehr schnell Vertrauen und konnten im Unterricht
sich auf vieles einlassen, so dass sie mit Glaube und Religion
überraschende Erfahrungen machen konnten. Der Gottesdienst in
der Schule bekam durch Klemens eine neue Qualität. Sprache,
Zeichen und Musik, die Klemens einsetzte, waren den Jugendlichen
vertraut. Auf Raumgestaltung legte er besonderen Wert. Die Jugendlichen
sollten sich wohl fühlen, sich in der Gestaltung des Raumes
wieder finden.
So konnte er die Schulleitung der kaufmännischen Schulen überreden,
einen Raum, der nicht als Klassenraum geeignet war, ihm als
Religionsraum zu überlassen. Als er den Raum dann fertig hatte,
wurde er gebeten, doch daran zu denken, dass er in der Schule
sei und dass seine Hauptaufgabe der Unterricht wäre. Die Schülerinnen
und Schüler haben sehr bald diesen Raum für sich entdeckt und
angenommen. Als 1976 der Neubau der gewerblichen Berufsschule
geplant und begonnen wurde, hat Klemens mit aller Kraft im Kreisschulausschuss
dafür gekämpft, dass zwei Religionsräume eingerichtet wurden.
Sie wurden so gestaltet, dass wir Religionslehrer die Möglichkeit
hatte, Unterricht im Kreis zu machen, und zwar ohne Tische,
Meditationen anzubieten und auch Kaffee zu kochen. Ja, auch
das war seine Idee. Als die Schulleitung mit Hinweis auf die
Hausordnung das untersagen wollte, hielt er ihr entgegen: "die
Schulleitung habe darauf zu achten, dass er ordentlichen Unterricht
erteile, über den Inhalte bestimme aber die Kirche. Kaffee sei
Inhalt und dafür sei die Kirche zuständig, und diese vertrete
er". Dabei strahlte er den Schulleiter an, was diesen sprachlos
machte. Mit der Einrichtung dieser beiden Räume bekamen wir
die Möglichkeit, jedes Jahr einmal allen Klassen einen Klassengottesdienst
anzubieten. Klemens fand immer wieder neue Elemente im sog.
Wortgottesdienst, Jugendliche zu beteiligen oder sie betroffen
zu machen. Einer schwangeren, nicht verheirateten Schülerin
machte er Mut, Maria sei auch nicht verheiratet gewesen. Sie
brauche sich nicht zu schämen. Schämen sollten sich die, die
über sie redeten und gegen das 8. Gebot verstießen. Dass auf
diese Weise hunderte von Jugendlichen Eucharistiefeier neu erlebten
und mit solchen Symbolen auch etwas anfangen konnten, ist Klemens
zu verdanken. Und sie hatten auch Spaß daran, was zu unerwarteten
Reaktionen führte. Eines Nachmittags rief eine besorgte Mutter
an: Meine Tochter hat heute morgen bei Ihnen an einer Messe
teilgenommen. Sie hat uns voller Begeisterung beim Mittagessen
davon erzählt. Da muss doch etwas falsch gewesen sein! Als wir
bei einem Gespräch mit Bischof Heinrich Tenhumberg von unseren
Erfahrungen erzählten, fragte er kritisch: "Haben denn auch
Evangelische an der Kommunion teilgenommen?" Klemens schaute
ihn verschmitzt an und meinte: "Heinrich, weißt du, es war ein
wenig dunkel. Da konnte ich das nicht so genau sehen." Der Bischof
lachte schallend und klopfte ihm auf die Schulter. Da waren
ein Seelsorger, der das Notwendige erkannte und tat, und ein
Bischof, der den Mensch über die Lehre stellte. Diese Art der
Eucharistiefeier wurde in den Klassen an den beiden Berufskollegs
in Ibbenbüren bis zu seiner Pensionierung zur Tradition. Die
Zeit, in der wir jeder Klasse Gottesdienste anboten, war für
ihn besonders belastend. Viele Klassen kannte er nicht. Die
anderen Religionslehrerinnen und Religionslehrer bereiteten
die Klassen auf den Gottesdienst vor. Er kam fremd in die Klasse,
so musste er in kurzer Zeit Kontakt und Beziehungen aufbauen,
sonst ist lebendige Eucharistiefeier nicht möglich, da war der
ganze Mensch gefordert. Und Klemens brauchte nur wenige Minuten
und alle hatten das Gefühl, dass er schon lange dazu gehört.
Ein wichtiges Element in seinem Unterricht, was einige von uns
übernommen haben, waren die Meditationen. Können Sie sich vorstellen,
dass eine Klasse von Maurern zwanzig Minuten mucksmäuschen still
ist und einer leisen Musik lauscht? Klemens schaffte es. Und
auch diese Schüler fragten, wann wir wieder so etwas machen
würden. Er begeisterte die Schüler, aber er riss auch uns Lehrer
mit. Eucharistie konnten wir nicht feiern, aber Meditationen
und ähnliche Angebote gehörten auch bei uns zum Standard. Er
war ein charismatischer Religionslehrer. Im Grunde seines Herzens
war er immer Seelsorger. Das konnten alle erfahren, die in Bedrängnis
gerieten. Für eine junge engagierte Religionslehrerin hat er
persönlich beim Generalvikariat gebürgt, damit sie ihre Stelle
nicht verlor. Er lebte in der Botschaft Jesu: Das Gesetz ist
für den Menschen da und nicht der Mensch für das Gesetz. Kolleginnen
und Kollegen sowie Schülerinnen und Schülern, die an ihrem Leid,
das sie erfahren mussten, zu zerbrechen drohten, stand er zur
Seite, begleitete sie und tat alles, um sie wieder aufzubauen.
Was er hier im Einzelnen getan hat, blieb und bleibt vor der
Öffentlichkeit verborgen. Doch die, die es erlebt haben, bezeugen
es in ihrem Herzen. Ich möchte meine Erzählung mit einem bunten
Bild schließen, so wie auch er nach einer sehr ernsten Ansprache
meistens ein aufmunterndes, fröhliches Wort hatte. Mitte der
80-Jahre hatte er die Idee, alle Klassen sollten die Schul-Fenster
bemalen oder mit Collagen dekorieren. Es gelang ihm, die Skepsis
der Schulleitung zu zerstreuen. Einerseits ließ er nicht locker,
andererseits war das Vertrauen des Schulleiters doch groß, dass
wir das Projekt starten konnten. Ungefähr 65 Klassen haben dann
Fenster thematisch bemalt, Wände mit Collagen geschmückt. Vieles
reizte zum Hinschauen, manches zum Nachdenken oder manches war
einfach schön. Verrückt werden die einen sagen, für die anderen
wurde lebendige Schule auf diese Weise sichtbar. Denn für Klemens
bedeutete Schule Lernen mit Herz und Verstand und allen Sinnen.
Wolfgang Pohle
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Wilhelm und Maria Möllenbach - "Immer da"
Meine Erinnerungen
Klemens Niermann war seelsorglich immer und für alle und jeden
da, zu jeder Zeit bei Tag und Nacht. Auch wir haben ihn unterstützt
durch unentgeltlich ausgeführte Transporte von Waldkirch nach
Stettin, diagonal durch Deutschland. Die persönliche Aufopferung
wird es seelsorglich nicht mehr geben im Krankenhaus Ibbenbüren.
Man sieht es ja jetzt schon am Wegfall der hl.Messe am Sonntag
morgen, die immer sehr besucht war. So voll ist bei der Messe
am Sonntag morgen keine Messe in Ibbenbüren. Es war nicht nur
Krankenhauspersonal zugegen oder auch nur Kranke. Er hat immer
auf Luxus verzichtet. Er ist nicht nur in Ibbenbüren bekannt
geworden, auch in Polen, besonders Stettin, auch in Minsk, Weißrussland.
Er hatte immer ein Gespür dafür, wie er seine Ziele erreichen
und durchführen konnte. Die Kapelle kann man ruhig in Klemens-Niermann-Kapelle
benennen, ebenso die Roggenkampstr. in Klemens-Niermann-Str.
- verdient hat er es ja. Ohne ihn würde die Kapelle ja gar nicht
mehr da sein. Er hat sie ja bestehen lassen und drum gekämpft,
das sie erhalten und weiterhin benutzt wurde. Wir haben ihn
auf einem originalen Bild doppelt bei uns im Hause hängen. Dieses
Blatt widmen wir um Gedenken an ihn. Wilhelm und Maria Möllenbach
/ Dörenthe, Lotsenweg
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Karl Heinz Mönninghoff
Du wirst es noch lernen
1963 lag ich nach einem schweren Verkehrsunfall im Elisabeth-Krankenhaus.
Dort habe ich Kaplan Klemens Niermann kennengelernt und bei
ihm gebeichtet. Während des Beichtgespräches habe ich festgestellt,
dass er sich von den mir bekannten Geistlichen sehr unterscheidet.
Einige Jahre später habe ich in St. Michael eine besondere Predigt
erlebt. "In einer süddeutschen Benediktinerabtei war ein Abt
gewählt worden, der - so stand es in den Zeitungen - in jungen
Jahren eine Beziehung zu einer Frau hatte." Klemens Niermann
sprach über Bekennen und Vergebung und über Menschen, die immer
wieder Fehler machen. Dann sagte er: "Wenn wir, Sie und ich,
alles voneinander wüssten, voneinander wüssten, ob wir uns dann
noch mit der gewohnten Hochachtung begegnen würden?" Aus einem
Frauenkloster in Münster-Kinderhaus haben wir Kirchenbänke und
Beichtstühle abgeholt und in Ibbenbüren zwischengelagert. Klemens
bat mich, die Gegenstände nach Minsk zu befördern. Ich musste
aber feststellen, dass auf dem LKW nur für 12 Bänke und nicht
für 28 Bänke Platz war. Auf seine Bitte hin plante ich den Transport
mit zwei Fahrzeugen. Klemens erklärte, er wolle die Fracht bezahlen.
Zwei LKW wurden beladen, die aus dem Kloster stammenden Gegenstände
gingen an die Kirchengemeinde St. Simonis et St. Helena in Minsk.
Wir traten in Vorlage, Klemens hat später den zweiten Transport
mit seinem Weihnachtsgeld bezahlt. 2002 waren wir zusammen in
Belarus. Wir wollten einen VW-Bus mit Zollnummer in Belarus
einführen. 6 Stunden haben wir mit dem polnischen Zoll wegen
der Transiterlaubnis verhandelt. Und 10 Stunden waren nötig,
um die Formalitäten an der polnisch-weißrussischen Grenze zu
erledigen. Nachts um 2.00 Uhr erreichten wir das Hotel Druschba
(das heißt Freundschaft) in Brest und wurden dort noch im Restaurant
bewirtet. Während des Essens sagte ich: "Christus hat den Zöllnern
verziehen, mir fällt das heute aber sehr schwer." Worauf Klemens
sagte: "Du wirst es noch lernen."
Karl-Heinz Mönninghoff
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Reinhard Paul: Er gehörte zu meinem Leben
Begegnungen eines evangelischen Pfarrers mit Klemens Niermann
Klemens gehört von Anfang an bis heute zu meinem Leben.
Als ich 1975 meinen Dienst in Ibbenbüren begann, gehörte alsbald
zu meinen Aufgaben die Erteilung von Religionsunterricht in
der Berufsschule. Und da lernte ich Klemens kennen, unvergesslich
der Einstieg. Im Wirrwarr der Klassen war ich im verkehrten
Raum gelandet und begann meinen Unterricht. Da öffnete sich
die Tür und Klemens stand da. Er war sichtlich erfreut über
meine Gegenwart und machte keine Anstalten, mich aus der Klasse
zu bugsieren. Vielmehr rief er lachend in die Klasse: "War Jesus
evangelisch oder katholisch?" Damit hatte er die Brücke geschlagen,
die uns bis heute verbunden hat. Es ist die gelebte Jesus-Nachfolge,
die sein Leben bestimmt hat. So hat er sein Haus allen geöffnet,
die in Not waren und ein Dach über dem Kopf brauchten. Viele
von den Obdachlosen waren auch mir vertraut und zu manchem habe
ich bis heute Kontakt. Einer von ihnen ist Peter. Immer wieder
ist er bei Klemens eingekehrt, und dann hat Peter mir eines
Tages erzählt, wie er mit Klemens zusammen in Münster war. Klemens
hatte gerade vom Bischof 20.000,- DM für die rote Kirche in
Minsk erhalten. Für weitere Besorgungen wollte er das Geld nicht
bei sich behalten. Also hat er es Peter in die Hand gedrückt
und gesagt hat: "Du, halt mal!" Dieses Vertrauen hat Peter tief
beeindruckt. " Ich hätte mit dem Geld abhauen können, aber ich
habe es nicht getan. Ein solches Vertrauen konnte ich ja nicht
enttäuschen!" So ist Peter, wenn er denn bei Klemens war, zu
seinem Mitarbeiter und auch zu einem Helfer in seinen Gottesdiensten
geworden. Für mich gab es unendlich viele Gelegenheiten im ökumenischen
Miteinander, wo wir uns achten und schätzen gelernt haben und
wo ein Stück Freundschaft gewachsen ist. Und dabei sind wir
auch auf eine überraschende Spur gestoßen. Als ich im September
2006 als Wanderer und Pilger den Athos in Nordostgriechenland
besucht habe und am Ende beim Mönch Panteleimon landete, da
wurde diese Spur lebendig. Panteleimon ist aus einer einflussreichen
Berufslaufbahn in Deutschland ausgestiegen und lebt in einem
Kellion (kleines Haus im Klausurbereich des Klosters, in dem
ein Ordensmann oder eine Ordensfrau lebt) des Klosters Chiliandar
an der Westküste des Athos. Da ist Klemens zur Feier seines
75. Geburtstags gelandet. Es war die gelebte Jesus-Nachfolge,
die Panteleimon und Klemens trotz aller Unterschiedlichkeit
von Anfang an miteinander verbunden hat. Als ich von Panteleimon
den diesjährigen Weihnachtsrundbrief erhielt und darauf antwortete,
habe ich erzählt, dass Klemens schwer erkrankt sei. Bald darauf
rief Panteleimon bei mir an und erkundigte sich nach Klemens,
trug mir Grüße auf sagte mir, dass Klemens in der täglichen
Fürbitte seiner Gottesdienste seinen festen Platz habe. Und
wenig später erhielt ich dann noch eine Karte, auf der Panteleimon
unter anderem schreibt: "Die Krankheit von Klemens berührt mich
sehr - Gott prüft ihn noch einmal und läutert ihn - gebe Er,
dass unser lieber Freund und Bruder wenig leiden muss und bald
am himmlischen Altar seinen Priesterdienst tun darf." An dem
Morgen, an dem ich Klemens diese Grüße überbracht habe, war
er erstaunlich aufnahmebereit. Sprechen war so gut wie gar nicht
möglich. Als ich ihm diese Worte vorgelesen hatte, lachte er
und gleichzeitig kamen uns beiden die Tränen. Und so haben wir
dann auch bewusst voneinander Abschied genommen. Dabei habe
ich die Geschichte gelesen, in der Jesus seinen Jüngern im Sturm
auf dem Meer begegnet. Und so habe ich ihm diese Zusage des
Auferstandenen sagen dürfen, die uns als christliche Gemeinde
über alle Grenzen hinweg miteinander verbindet: Seid getrost,
ich bin's, fürchtet euch nicht! ( Mt 14,27) Als ich dann im
Interview aus dem Jahre 1996 las, wie Klemens sein Leben mit
genau dieser Zusage verbunden wusste, da dachte ich: Die Übereinstimmung
ist oft genug weitreichender, als wir es wissen. Die Gemeinschaft
des gekreuzigten und auferstandenen Christus am Tisch des Herrn
gemeinsam zu feiern war für ihn kein Problem, auch wenn er sagt,
er sei "brutal katholisch". Ansprache in der Beerdigungsmesse:
Ich sehe uns in dieser Stunde in der einen Gefahr, dass wir
Klemens in den Himmel erheben, während er bei den Ärmsten der
Armen, den Geschundenen, den Entrechteten, den Bestraften auf
dieser Erde sein wollte. So bin ich ihm begegnet in gemeinsamen
Gottesdiensten z. B. mit Behinderten in den Wohnbereichen der
Ledder Werkstätten im Waldfrieden. Im Dialog haben wir das sog.
"Gleichnis vom verlorenen Sohn" gestaltet: Er, der rebellische
Sohn, dem es in dem Haus des Vaters zu eng wird und der auf
den Straßen der Menschen unterwegs ist. Ich, der Jüngere in
der Gestalt des gütigen Vaters, der wartet und hofft, dass dieser
Rebell bei ihm einkehrt. So haben wir das Leben gespielt. Gottes
suchende Liebe darf zu einer Arche und zu einer Zuflucht für
alle Menschen werden. Und so haben wir gemeinsam Gottes Nähe
gefeiert in der Gestalt des Christus, der in seiner grenzenlosen
Liebe das Leben mit uns teilt. Klemens hat sich gefreut an meiner
lieben Frau und besonders, wenn er ihre Lebendigkeit mit Worten
herausfordern konnte. So sehe ich ihn, wie er viele Fährten
gegangen ist, manchmal abenteuerlich und einsam, der Eremit,
der in der Stille mit Gott allein ist. So sehe ich ihn, wie
er in dem Mönch Pantheleimon auf dem Athos einen Freund und
Bruder entdeckt hat, als er zu seinem 75. Geburtstag bei ihm
einkehrte. Als auch ich im September des letzten Jahres Gast
bei Panteleimon sein durfte, haben wir von Klemens erzählt.
Seit Weihnachten wusste Panteleimon von der schweren Krankheit
und hat wie ein Freund und Bruder für ihn gebetet und mit ihm
gelitten. Und so schrieb er mir: "Die Krankheit von Klemens
berührt mich sehr - Gott prüft ihn noch einmal und läutert ihn
- gebe ER, dass unser lieber Freund und Bruder wenig leiden
muss und bald am himmlischen Altar seinen Priesterdienst tun
darf. Herzlich Grüße an Dich, Deine Frau, Klemens und auch an
die Schwester, die ihn pflegt". Und ich selbst treffe auf Klemens,
wie er sterbenskrank auf Gottes Erbarmen hofft. Ich will ihm
etwas sagen, ein gutes Wort, das ihm hilft. Ich berühre seine
Hand. Da öffnet er die Augen und lacht mich an. Er sagt nur
ein Wort: "Reinhard". Ich denke, so ist Gott, mit Jesus hat
er ein menschliches Gesicht bekommen. ER sieht mich an. Jeden
und jede von uns. Und er sagt uns: "Freut euch, dass eure Namen
im Himmel geschrieben sind!" Ich darf es glauben: Ich bin angesehen.
Das ist der unverlierbare Wert meines Lebens.
Reinhard Paul, Pastor
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H. Althaus:
Ein Engel Ein Engel zieht in den Himmel ein.
Hans Althaus
Martha
Franken
Wie würde Jesus entscheiden Er war ja bei meinem Mann am
Todestag und hat ihm die Krankensalbung gespendet, und abends
kam er und wollte die Nachtwache übernehmen, aber dazu kam es
nicht mehr, Anton starb in dem Moment, wo ich das Zimmer kurz
verlassen habe. Die beiden kannten sich gut, weil sie ja mehrmals
zusammen nach Minsk gefahren sind, sie waren gut befreundet.
Er war für mich ein Vorbild als Christ und als Mensch, seinen
Ausspruch habe ich nie vergessen, als er sagte, bei allen Entscheidungen
frage er sich, "wie würde Jesus entscheiden" und so hat er auch
gehandelt.
Martha Franken
Agnes
Pergovacz
Ein außergewöhnlicher Mensch
Auf jeden Fall kann man ihn als einen außergewöhnlichen
Menschen bezeichnen - unkonventionell, tolerant, liebenswürdig
und immer gut gelaunt.
Agnes-Elisabeth Pergovacz,
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Anne Wilksen
Jedem Menschen seine persönliche Würde
Meine Erinnerungen an Klemens Was ihn für mich vor allem
auszeichnete, war, dass er jedem Menschen seine persönliche
Würde ließ, auch und besonders den Mühseligen und Beladenen.
Meine beste Freundin war eine ungarische Jüdin, die nach ihrer
Flucht 1958 in Paris lebte. Sie war, unter der Bedingung, dass
sie katholisch wurde, von Nonnen vor den Pfeilkreuzlern gerettet
worden. Sie hatte wenig Geld und verwaltete das Werk ihres verstorbenen
Mannes, der ein schon renommierter Maler gewesen war. Klemens,
der sich bekanntlich zum Jüdischen hingezogen fühlte, hat Suzanne
bei mir getroffen. Er entpuppte sich plötzlich als begeisterter
Kunstliebhaber und kaufte ihr ein ziemlich teures Bild ab. Er
bezahlte es ihr und meinte, er werde es später abholen. Das
hat er natürlich "vergessen"! Suzanne bewohnte eine Zeitlang
ein kleines Haus in Burgund. Während meines Aufenthalts dort
tauchte eines Tages Klemens mit Zelt und Rucksack auf. Am Abend
saßen wir drei am Holztisch in der Küche zum Abendessen. Wir
aßen schweigend. Es war wie bei den Emmaus-Jüngern. Nach einer
Weile nahm Klemens das Brot und sprach die Abendmahlsworte,
Es war eine ganz dichte Stunde, die ich nie vergessen werde.
Als Suzanne sterben musste, ist Klemens mit mir nach Paris gefahren
und hat sie noch eine kurze Zeit im Hospital begleitet. Sie
wurde dann nach jüdischem Ritus beigesetzt. Nachdem der Rabbiner
den Kaddisch gesungen hatte, ging Klemens zum Grab und sprach
noch einen Segen.
Anne Wilksen
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Frau Himstedt und H. J. Himstedt:
Der liebe Gott hat alles bezahlt Klemens besaß ein liturgisches
Buch aus den Niederlanden mit ansprechenden, modernen Texten.
Es war für ihn ein sehr wichtiges Buch und er benutzte es jeden
Sonntag. Da wir mit unserer Familie oft vorne saßen - früher
wegen der Kinder, heute wegen der Beinfreiheit - konnte ich
dieses Buch gut sehen. Es war rot und wurde schließlich im Laufe
der Jahre mit verschiedenem farbigem Isolierband zusammen-gehalten.
Wenn er es öffnete, drohte sich jedes Mal der Einband vom Inhalt
zu trennen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann es ganz
auseinanderfallen würde. Heimlich nahm ich Maß und nähte aus
hellem Leinenstoff einen Buchumschlag. Auf die Vorderseite stickte
ich einen Fisch. Noch ein paar Goldfäden und fertig. Am folgenden
Sonntag stahlen wir das Buch. Mein Mann ließ es einfach in der
Innentasche seiner Jacke verschwinden. Kaum zu Hause angekommen
ging das Telefon. Klemens "Ich vermisse mein Buch. Habt ihr
es vielleicht?" Zum Glück war unser Sohn Matthias am Telefon
und wir hörten ihn sagen: "Was sollen wir denn mit Deinem Buch?"
Wir leimten, pressten klebten und verstärkten den Umschlag.
Zum Schluss kam die neue Buchhülle. Die Ecken mussten noch per
Hand genäht werden. "Fertig". Heimlich legen wir es noch am
selben Nachmittag auf seinen Schreibtisch. Es dauerte nicht
lange, da ging das Telefon. "Wusste ich es doch", lachte er,
"das konntet nur ihr gewesen sein." So ca. 2 Jahre später zeigte
er mir sein Buch. Schau mal wie das aussieht. Ich habe immer
so schwitzige Hände. Kannst du mir das noch mal neu machen?
Diesmal wurde der Umschlag dunkelgrün Aber wieder kam vorn ein
Fisch darauf und seine Initialen K.N. Einfach so passiert… In
einem Gespräch erzählte Klemens uns beiläufig. "Ich habe in
meinem ganzen Leben nie eine eigene Stola gehabt. Und einen
eigenen Kelch auch nicht." Uns gingen seine Worte einfach nicht
aus dem Sinn und wir besorgten uns einen Katalog mit liturgischen
Gewändern. Wir staunten über die mit Gold gewebten Stolen und
über die Preise. Nein, das war nichts für Klemens. Ich beschloss
selbst eine zu nähen. Pastor Mombauer lieh mir eine Stola und
ich fertigte einen Schnitt. 400 kleine Stoffquadrate ergaben
auf der einen Seite ineinander-greifende Kreuze. Als Pastor
Lammers sie einmal trug, meinte er, das sei endlich mal eine
Stola für alle Feiertage, da fast alle Farben enthalten waren.
Da ich nicht wusste wo und wie lang die Kordel vorn sein musste,
fuhr ich noch mal zu Pastor Mombauer. Er legte sie um und bemerkte,
dass sie auch ihm sehr gut stehen würde. Mein Mann hatte in
den vergangenen Wochen oft am Computer gesessen und bei Ebay
einen kleinen schlichten Kelch ersteigert. Ein Goldschmied hatte
ihn noch mal schön aufpoliert. Beides verpackten wir sorgfältig
und legten es auf seinen Wohnzimmertisch. Morgen würde er aus
dem Urlaub zurückkommen und dann war Sonntag. Klemens kam aus
der Sakristei und trug seine eigene Stola. Als er uns sah, zwinkerte
er uns zu und strahlt. Auf dem Altar stand sein eigener Kelch.
Wenige Wochen später: Als wir in die Kapelle kamen sagte Schw.
Michaela: "Klemens muss dir was beichten." Nach dem Gottesdienst
nahm mich Klemens zur Seite und sagte: "Ich habe meine Stola
verschenkt. Es ist einfach so passiert." Ich konnte nichts sagen;
ich war zu sehr damit beschäftigt meine Zähne zusammenzubeißen.
Am Nachmittag kam Klemens vorbei mit einer Schachtel russischer
Pralinen. Er wollte mir alles genau erklären. "Ich war doch
zu diesem Priesterjubiläum in Minsk. Schon in der Sakristei
erregte ich mit der Stola Aufmerksamkeit. Im Gottesdienst merkte
ich, dass alle anderen ein Geschenk mitgebracht hatten. Ich
hatte gar nicht daran gedacht. Bei der Wandlung hatte ich plötzlich
die Idee. Ich nahm meine Stola und legte sie dem Jubilar um
den Hals. Das ist einfach so passiert." "Weißt du", sagte er
weiter, "Sie war mir ja auch eigentlich ein bisschen zu groß
und zu schwer. Kannst du mir nicht eine neue machen, so wie
die alte grüne?" Ich nähte eine neue, auf der einen Seite rote
Feuerzungen in verschiedenen Rottönen. Auf der anderen Seite
Land und Berge, darüber eine rote Sonne. Er trug sie fast jeden
Sonntag, blinzelte uns zu und lächelte. PS: Russische Pralinen
sind schrecklich süß und schmecken scheußlich. Himmlische Mahlzeit
Es war Ostern. Nach dem Gottesdienst herrschte eine fröhliche
Frühlings-Auferstehungsstimmung. "Und was macht ihr heute?",
fragte Klemens meinen Mann. "Wir gehen heute mal mit der ganzen
Familie essen." -"Wo denn?", wollte er wissen. Im "Fabula" in
Tecklenburg..." "Ja, das kenne ich.", meinte er. Da wir sehr
selten Essen gehen, genossen wir es so richtig, in dem österlichen
Ambiente bedient und verwöhnt zu werden. Irgendwann stand mein
Mann auf, um an der Theke zu bezahlen. Unser ältester Sohn folgte
ihm. Wenigen Minuten später kamen zwei völlig verstörte Männer
zurück. "Es ist alles bezahlt." stammelten sie. "Jetzt ganz
langsam, was ist los?, fragten wir. Die Kellnerin hatte ihnen
gesagt: "Ich soll Ihnen ausrichten - Der liebe Gott hat alles
bezahlt."
Hans Jürgen Himstedt
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Ulrich Beck (eh. Rektor Bosco-Schule,
Gründer und Leiter Bezirksseminar, Fasanenhege 8) Seit 1963:
Pfarrer Clemens Niermann, ein treuer Freund unserer Familie
Allerheiligen 2006. Unsere beiden ältesten Töchter und
ich hatten Clemens zum Kaffee ins Cafe des Bodelschwigh-Krankenhauses
eingeladen. Zum ersten Mal, soweit ich mich erinnere, sprach
Clemens völlig ungewohnt von sich selbst. Er spüre, wie er jetzt
doch alt würde und seine Kräfte mehr und mehr merklich nachließen.
Bei meinem letzten Aufenthalt im Krankenhaus Mitte November
blieb Clemens - was auffällig war - wohl über eine Stunde bei
mir. Es sollte wohl das Abschiedsgespräch werden. Er sprach
weit ausholend von den mehr als 40 Jahren der Freundschaft zwischen
unserer Familie und ihm. Er wusste noch von vielen gemeinsamen
Unternehmungen und Erlebnissen, die ich längst vergessen hatte.
Unsere Verbundenheit hatte im Frühjahr 1963 begonnen. Er suchte
damals Mitstreiter zur Vorbereitung und Durchführung eines Theologischen
Seminars. Pfarrer Wessels hatte ihn zu uns geschickt. Wir wohnten
damals in der Schulstrasse. So hatte er vor unserer Tür gestanden
und war als "Fremdling" gleich sehr herzlich aufgenommen worden.
In einer kleinen Gruppe machten wir uns an die Arbeit, das Seminar
insgesamt und die einzelnen Abende inhaltlich mit jeweils einer
Einführung, einer Gruppenarbeit (was neu war) und Zusammenfassung
vorzubereiten. Im Wechsel hätten er und ich uns in der Leitung
der Abende - es wären meist mehr als 200 (!) Teilnehmer - abgewechselt.
Es war die Zeit des Konzils. Wir schöpften "moderne Theologie"
aus den "Kathechetischen Blättern" und Anregungen aus dem "Holländischen
Katechismus". An einem Abend, als Clemens die Leitung innehatte,
hatten sich Bischof Höffner und sein Kaplan (heute Bischof Lettmann)
in Zivil inkognito unter die Teilnehmer gemischt. Der Vorschlag,
Theologische Seminare im Bistum abzuhalten, war von Bischof
Höffner ausgegangen. Nun wollte er wohl vor Ort sehen, wie das
so liefe. Auch in seiner langen Zeit als Berufsschulpfarrer
erinnere er sich nicht nur an unsere wiederholten theologischen
und pädagogischen Gespräche, sondern auch an seine Besuche,
etwa bei unseren Familienfesten. Als meine Frau in den 70er
Jahren schwer erkrankte, hat Clemens uns in besonderer Weise
beigestanden, so hat er uns damals mit seinem Auto - weil große
Eile erforderlich war - in rasender Fahrt, auch mal bei Rot
über die Kreuzung - ins Krankenhaus nach Telgte gefahren. Auch
in den so schwierigen Jahren nach dem schweren Schlaganfall
meiner Frau Elisabeth im März 2002 gab Clemens uns nicht nur
seelsorglichen Beistand. Gleich nach ihrem unerwarteten Tod
im Juni 2006 hat er Elisabeth in ihrem Sterbebett von der Station
in die Kapelle des Bodelschwigh-Krankenhauses geschoben und
mit uns lange Stunden hindurch betend von ihr Abschied genommen.
Während meiner wiederholten Krankenhaus-aufenthalte besuchte
Clemens mich meist täglich und verstand es, mir immer wieder
Mut zu machen. Wir sind dankbar dafür, dass wir so viele Jahre
hindurch einen solchen Freund an unserer Seite hatten! Ich glaube
fest daran, er ist uns, von dort, wo er jetzt lebt, weiter hilfreich
verbunden.
Ulrich Beck und Familie
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Fritz Scholmeyer
Eine Erinnerung an Klemens Niermann möchte ich beisteuern.
Ein geistlicher Freund
Ein geistlicher Freund Ich betreue die ökumenischen Zwölfminuten-Andachten.
Das heißt für jeden Freitag zu 18 Uhr jemanden finden, die oder
der bereit ist, sich einen für die jeweilige Zeit des Kirchenjahres
geeigneten Text zu suchen und zu ihm passende Gebete und Lieder.
Da ist zwar ein größerer Kreis von Damen und Herren grundsätzlich
bereit, dies zu tun. Aber im Einzelfall haben die Mitarbeiter
doch die eine oder andere Aufgabe, die es nicht zuläßt, die
Andacht zu übernehmen. So gerät man immer wieder einmal in die
Schwierigkeit, daß der betreffende Freitag näher rückt und man
immer noch keine Person für die Andacht gefunden hat. Es war
mir dann immer eine große Hilfe, daß ich einen kannte, der immer
bereit war einzuspringen. Griff ich zum Telephon und wählte
seine Festnetz- oder Handynummer - es konnte sein, daß er gerade
in Bayern Urlaub machte - er war immer bereit, eine Zwölfminuten-Andacht
zu übernehmen. Denn die Ökumene war ihm ein Herzensanliegen.
Voller Dankbarkeit werde ich, so lange ich noch lebe, an diesen
geistlichen Freund denken.
Fritz Scholmeyer
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Peter Hole
Klemens - ein Genießer Jeder, der Klemens Niermann kannte
weiß, er lebte bescheiden. Das heißt nicht, dass er allen weltlichen
Freuden abhold war. So weiß ich, er hat durchaus gerne gut gegessen.
Ich erinnere mich nicht mehr, wie es dazu kam, dass er, Michaela
und Anne Wilksen, manchmal auch Cesare und Gisela meine Gäste
waren. Fest steht, wenn ich in den letzten zehn Jahren Klemens
zufällig in der Stadt traf und wir einen kurzen Plausch hielten,
flocht er ganz nebenbei folgenden Satz ein: "Du Luther-Bock
könntest uns auch mal wieder zum Essen einladen". Eine Beleidigung?
Keineswegs, ich kannte ja Klemens. Mit Freude ging ich daran,
einen Gourmet zu bekochen. Seine leuchtenden Augen, das Schnalzen
der Zunge, das genüssliche Verzehren eines Filets waren für
einen Hobbykoch hohes Lob. Ein Schleckermaul war er obendrein.
Bei Crêpe Suzette oder beim Mahlberger Schlosskuchen war ihm
sein Cholesterinspiegel ziemlich egal. Gutes Essen führt oft
auch zu guten Gesprächen. Sie mit Klemens zu führen war leicht,
er erzählte gerne aus seinem abwechslungsreichen Leben und überraschte
immer wieder mit seinem historischen und theologischen Wissen.
So war jeder Abend mit ihm ein Geben und Nehmen. Dankbar und
mit Freude denke ich daran zurück, gleichzeitig trauernd, dass
der "Till Gottes" nicht mehr zum Gastmahl beim "Luther-Bock"
kommen kann.
Peter Hole
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Traueranzeige - Pfr. Klemens
NIERMANN
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Traueranzeige von - Agnes Niermann
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Pfarrer Klemens Niermann * 30. März
1928 f 16. März 1957 t 6. Februar 2007 1 Statt Karten Gib jedem,
der dich bittet; und wenn dir jemand etwas wegnimmt, verlang es
nicht zurück. Lukas 6, 30 Dieses Schriftwort bestimmte sein Handeln.
Auf Erden schloss sich vor sechs Wochen der Lebenskreis unseres
lieben Bruders. Er lebt weiter in Gott. Wir können sicher sein,
dass Klemens sich über die großzügigen Geldspenden für die Armenküche
in Minsk/Weißrussland freut. Für alle Zeichen der Anteilnahme
danken wir ganz herzlich. Wir laden freundlich ein zum Sechswochenseelenamt.
Es wird am Sonntag, dem 25. März 2007, um 11.00 Uhr in der Sankt-Mauritius-Kirche
in Ibbenbüren gefeiert. Für die Angehörigen Agnes Niermann Ibbenbüren,
im März 2007 |
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EIN BISSCHEN MEHR KLEMENS
Heldenhaftes Leben von Pastor Klemens Niermann,
Ibbenbüren Werner Heukamp Hrsg.
Druck, IVD GmbH & Co. Kg
Ibbenbüren 2009
48 Seiten
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Auszug aus dem Buch ...
Einführung Werner Heukamp
22 Schüler und Schülerinnen der Klasse 7b der Schule am Aasee
in lbbenbüren nahmen im Sommer 2009 an einem Geschichtswettbewerb
des Bundespräsidenten teil. Sie gewannen dabei einen Preis von
250 Euro. Das Thema dieses Wettbewerbes lautete: "Helden, verehrt,
verkannt und vergessen". Die Schüler und Schülerinnen entschieden
sich für Klemens Niermann. Sie erkannten besonders seine Fluchthilfe
für die Verlobte von Einar Schleef aus der DDR als eine Heldentat,
weil er dafür ins Gefängnis kam. Heldenhaft fanden sie auch
die Hilfe beim Bau der Moschee für die Muslime in lbbenbüren,
die er gegen großen Widerstand ermöglichte. "Ein Held hat Hoffnung,
er hilft anderen Menschen", so formulierten die Jugendlichen
der Aaseeschule. Das ungewöhnlich starke Interesse, mit dem
sich die Schüler und Schülerinnen auseinandersetzten, war für
mich ein Anlass, dieses kleine Buch über Klemens Niermann mit
seinem heroischen Einsatz für viele Menschen herauszugeben.
Klemens Niermann wurde mit mir am 16. 03. 1957 in Münster zum
Priester geweiht. Viele Jahre hindurch war ich sein Weggefährte.
Bei meinem Krankenhaus-aufenthalt in lbbenbüren hat er mir aus
seiner Jugend viel erzählt, Klemens war eine außergewöhnliche
Persönlichkeit, verfügte über ein starkes Durchsetzungsvermögen,
verbunden mit einer großartigen Liebenswürdigkeit und köstlichem
Humor. Sehr geholfen hat mir bei der Erstellung des Buches ein
Gespräch von Klemens Niermann mit Pastor Martin Weber, das ein
Tonband aufzeichnete und das später in einem Heft als Druck
erschien. Dieses sehr lange Gespräch war für mich eine Fundgrube,
waren es doch die eigenen Worte, die Klemens uns als Vermächtnis
anvertraute. Aus der Jugendzeit und auch von den Priesterjahren
erzählte mir die ältere Schwester von Klemens, die Pastoralreferentin
a. D. Agnes Niermann. Klemens Niermann hat mir persönlich auch
viele kleine Dienste erwiesen. So ist dieses Buch zugleich ein
"Dankeschön" für seinen Dienst und die Hilfe für viele Menschen.
"Ein bisschen mehr Klemens!" Mit diesem Wort brachte Pastor
Martin Weber beim Begräbnis von Klemens Niermann unsere Aufgabe
für das Erbe von Klemens auf den Punkt. Jeder von uns möchte
einen Strahl von dem reichen Leben von Klemens Niermann in sich
aufleuchten lassen. So würde die Arbeit von Klemens, geschultert
auf viele Jugendliche und Erwachsene, fortgesetzt. Werner Heukamp
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1. DAS ELTERNHAUS
Klemens Niermann wurde am 30. März 1928 in Schermbeck geboren.
Schermbeck ist ein Dorf im Grenzbereich zwischen Westfalen,
Rheinland und Ruhrgebiet. Seine Eltern stammten von Bauern und
sprachen, wie das damals üblich war, mit den Kindern Plattdeutsch.
Hochdeutsch war ihre erste Fremdsprache. Seine Eltern bauten
vor der Hochzeit ein Eigenheim, das später wegen der vielen
Kinder erweitert wurde. Hier wuchs Klemens mit 13 Geschwistern
auf. Das vierte Kind war ein Mädchen, Agnes Niermann (geb. 1926).
Sie sorgte mit der Mutter für die jüngeren Geschwister, konnte
gut nähen. Vater Niermann pachtete einige Ländereien und hielt
darauf zwei Kühe, Schweine und Kleinvieh. Dadurch versorgte
er in der schweren Kriegs- und Nachkriegszeit die große Familie,
sonst hätten sie hungern müssen. Klemens Niermann war das fünfte
von 14 Kindern. Niermanns gehörten in dem Dorf zu den armen
Familien. Bei der Primiz sagte ein reicher Bauer aus Schermbeck:
"Klemens is van lütke Lüe, man he wätt doch Pastor." Wer hat
Klemens in seiner Kindheit und Jugend besonders geprägt? Es
waren seine Eltern und der Heimatkaplan. Sein Vater war ein
außergewöhnlich religiöser Mann, Beamter der Reichsbahn und
beschäftigt am Stellwerk.
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-Über den Bahnhof Schermbeck fuhren viele Militärzüge. Als
Soldat wurde Vater Niermann nicht eingezogen, da Väter mit mehr
als neun Kindern zum Militärdienst nicht einberufen wurden. Der
Posten als Weichensteller war sehr verantwortungsvoll, ließ aber
in den Wartezeiten Gelegenheit zum Lesen. Seine Lektüre war das
Alte und Neue Testament und die Visionen der seligen Schwester
Katharina Emmerik. Auch betete er täglich dort auf dem Stellwerk
den Rosenkranz. Dass ein katholischer Mann sich so stark mit der
Bibel beschäftigte, hatte Seltenheitswert. Klemens sprach mit
Hochachtung von der Religiosität seines Vaters und nannte ihn
einen Mystiker. Dieser Ausspruch erinnert mich an ein Wort des
großen Theologen Karl Rahner. Von ihm stammt das prophetische
Wort: "In der heutigen Zeit ist der Christ ein Mystiker oder er
ist gar kein Christ." Damit wollte er sagen, wer heute nicht aus
ganz persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen im Umgang mit Gott
lebt, wird den Glauben über kurz oder lang verlieren. So ist der
Vater Niermann auch für uns ein großes Vorbild. Zu Hause übernahm
er das Amt des Vorbeters. Er fühlte sich als Priester seiner Eamilie.
Nur in seiner Abwesenheit betete die Mutter vor. Die Kinder wurden
dafür nie herangezogen. Auch als Klemens Diakon war, ermunterte
Vater Niermann seinen Sohn nicht, auch mal vorzubeten. Dass Eltern
die eigentlichen Vorbeter in der Familie sind, ist sicher richtig.
Wenn nur Kinder zu Hause beten, meinen die Kinder später leicht,
das Beten sei eine Kindersache und stellen es als Erwachsene ein.
Andererseits ist es aber auch wohl sinnvoll, bei besonderen Gelegenheiten,
zum Beispiel beim Namenstag, dass Kinder auch vorbeten. Sie müssen
es ja auch lernen! In der Familie Niermann wurde mit dem Vater
jeden Abend gemeinsam ein Abendgebet gesprochen. Es dauerte bisweilen
auch eine Viertelstunde. Dabei knieten alle vor einem Stuhl, was
den Kindern nicht immer leicht fiel. Die bei Klemens stark ausgeprägte
Religiosität, man darf wohl sagen, dass er in dem oben genannten
Sinn ein Mystiker war, verdankte er seinem Vater. |
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Vater Niermann hat es seinem Sohn sicher leicht gemacht, das "Vaterunser"
zu beten. Bei der Anrufung von Gottvater stand wohl immer, bewusst
oder unbewusst, das Antlitz des Vaters vor ihm. Ähnliches berichtete
auch die hl. Theresia vom Kinde Jesu. Der Glaube des jungen Klemens
wurde schwer belastet durch den Tod von drei seiner Geschwister,
die infolge eines Unglücksfalles starben. Es war Bruder Johannes,
der mit 16 Jahren bei einem Ernteeinsatz bei Verwandten verunglückte,
Bruder Hugo, fünf Jahre alt, der bei winterlichem Wetter einen
Schafhirten begleitete, der mit etwa 200 Schafen das Dorf Schermbeck
durchquerte. In der Nähe eines Baches glitt er die Löschung herunter
und fiel in das eiskalte Wasser. In seiner Begeisterung für die
Schafe begleitete er dennoch eine Zeit lang die Herde. Als er
abends zu Hause ankam, fieberte er und starb an den Folgen der
Unterkühlung seines Körpers. Sein Schwesterchen Mathilde verunglückte
mit zwei Jahren. Es saß in der Nähe des Herdes auf einem Stuhl
und riss den Topf zu sich heran. Dabei ergoss sich der kochende
Inhalt auf den Körper des Mädchens. Es starb an den Eolgen einer
zu großen Verbrennung. Bei diesen Unglücksfällen fragte sich Klemens,
wo war denn Gott, konnte der Schutzengel nicht verhindern, dass
sie starben? Da war es wieder der bibelkundige Vater, der Klemens
auf Christus wies, in dessen Leben es auch, besonders bei seinem
Sterben, viel Dunkel gab. Aber Jesu letztes Wort war nicht "Warum
hast du mich verlassen?", sondern: "Vater, in deine Hände empfehle
ich meinen Leib". Der Glaube an den Vatergott blieb unerschütterlich.
Von seiner Mutter übernahm Klemens seine zweite Charaktereigenschaft,
eine außergewöhnlich starke Nächstenliebe zu Menschen in Not.
So gab Mutter Niermann Gefangenen, die in ihrer Nachbarschaft
arbeiteten und wenig zu essen erhielten, immer wieder heimlich
Lebensmittel. Eine große Liebe zeigte sie auch zu den Nachbarskindern,
die gern zu Niermanns kamen. |
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War sie hochschwanger, und das kam ja nicht selten vor, konnte
sie weniger arbeiten. Dann setzte sie sich gern auf den Stuhl
in der Küche und um sie herum waren die Kinder und sangen Lieder
zur Gitarre. Das Gitarrenspiel hatten einige ihrer Kinder von
dem Dorflehrer gelernt. Dieser erhielt dann im Winter bei jeder
Schweineschlachtung auch seinen Anteil. Gewiss brauchte die große
Familie auch selbst viel. Aber der Lehrer, der in der Kriegs-
und Nachkriegszeit für sein Geld wenig kaufen konnte, erhielt
auch immer eine Wurst und Speck. Mutter Niermann war der ruhende
Pol im Haus. Trotz Armut verbreitete sie in der Familie Frohsinn
und Gottvertrauen. Eine dritte Charaktereigenschaft, die sich
schon in seiner Jugend zeigte, war das Heldenhafte. Das hatte
er von dem Kaplan der Pfarrei gelernt. Dieser baute trotz Verbot
der Nationalistischen Partei, die Jugendarbeit weiter aus. Mit
dem Kaplan arbeitete Klemens viel zusammen. So übernahm er auch
eine Jugendgruppe, die unter dem Kirchturm tagte. Das war sehr
gefährlich, wenn er im Dorfe angezeigt würde, kämen er und der
Kaplan sehr wahrscheinlich ins KZ. Klemens und der Kaplan unternahmen
vieles gemeinsam in der Jugendarbeit. Die Freude und Begeisterung,
die dieser junge Priester in seiner Arbeit ausstrahlte, muss bei
Klemens wohl einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben, so
dass in ihm der Wunsch reifte, auch einmal diesen Beruf zu wählen.
In der Volksschule in Schermbeck wird Klemens wohl gut gelernt
haben, denn sein Lehrer empfahl ihn für das Gymnasium in Dorsten.
Dorthin ging er sieben Jahre mit einer Unterbrechung am Ende des
Zweiten Weltkrieges durch seinen Militäreinsatz. Der Schulweg
war sehr beschwerlich. Die Entfernung betrug vom Elternhaus ca.
10 km. Da es im Hause Niermann nur ein Fahrrad mit Vollgummireifen
gab, gingen Klemens und sein Bruder täglich den Weg zu Fuß. Sie
benötigten dafür gut zwei Stunden. In den beiden letzten Jahren
des Gymnasiums hatte Klemens das Glück, kostengünstig bei einer
kinderlosen Familie in Gelden zu wohnen. |
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Darum wechselte er das Gymnasium und erzielte beim Abitur in Gelden
recht gute Noten: Alle Hauptfächer gut und Religion sehr gut.
Die Kriegs- und Nazizeit war für Klemens Niermann sehr belastend.
Mit 15 Jahren wurde er als Flakhelfer verpflichtet und danach
vom Militär übernommen. Zwei Drittel seiner Klasse vom Gymnasium
wurde in Flakstellungen in Bottrop eingesetzt. Die Jungengruppe
war mit der Artillerie die Schutzgruppe für die Bunawerke. Später
wurde die Gruppe nach Haltern verlegt. Im letzten Kriegsjahr litten
die Soldaten oft Hunger. Darum packte Mutter Niermann immer wieder
Pakete mit Lebensmitteln und Tochter Agnes brachte sie bisweilen
zweimal in der Woche zu Klemens in die Flakstellung. Das war oft
sehr mühsam, der Weg mit dem Fahrrad war beschwerlich. Viele Brücken
über Flüsse und Bäche waren zerstört, nur mit einer schmalen Notbrücke
waren sie zu überqueren. Auch tauchten oft urplötzlich feindliche
Tiefflieger auf, die auf Zivilisten schossen. Aber Agnes machte
das, die geschwisterliche Liebe unter den Kindern der Familie
Niermann war sehr groß. Ende des Krieges kam Klemens noch für
kurze Zeit auf Heimaturlaub. Da man in Schermbeck von weitem das
Anrücken der Kriegsfront hören konnte, verbot sein Vater ihm die
Rückkehr zu seiner Einheit. Diese Entscheidung war gefährlich,
hätte ein fanatischer Nazi davon erfahren und ihn angezeigt, wäre
er an dem nächsten Baum erhängt worden. Aber der Vater handelte
richtig, bei der Rückkehr zur Einheit hätte Klemens vielleicht
getötet werden können. Jedes Menschenleben war für den unsinnigen
Krieg zu schade. Vater Niermann hielt in kritischen Situationen
immer einen klaren Kopf, so beruhigte er seine Familie, wenn Bomben
fielen und die Kinder im Keller vor Angst schrieen. "Seid ruhig",
sagte er, "heulende Bomben treffen nicht unser Haus." Das Haus
von Niermanns blieb im Krieg unversehrt, als die Front über Schermbeck
hinwegging. |
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Sehr mutig war Vater Niermann auch in seiner Entscheidung, als
er Klemens das Mitmachen in der Hitlerjugend verbot, die für einige
Zeit in Schermbeck vorhanden war und auch das Tragen der braunen
Uniform. Das hätte Folgen haben können und Klemens des Verweises
vom Gymnasium nach sich ziehen können, doch es geschah nichts.
Es war eben Krieg und da wurde vieles übersehen. In seinen heroischen
Entscheidungen war Vater Niermann sicher für Klemens ein gutes
Vorbild für seine oft wagemutigen Einsätze in der Seelsorge und
der Fürsorge für die Armen |
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RELIGIÖSES LEBEN DER FAMILIE NIERMANN
Trotz der Armut herrschte im Hause Niermann der Friede. Sicher
stritten sich die Geschwister, manchmal sogar sehr. Sie mussten
sich ja im Leben auch wehren können. Aber meistens schlichteten
die Kinder eine Sache selbst. Abends war alles wieder in Ordnung.
Nur manchmal griff der Vater ein und stiftete bei den Kindern
Frieden. Geschimpft und geschlagen hat er nie. Es gibt Familien,
die sehr stark das kirchliche Leben fördern. Das geschah auch
in der Sippe des hl. Liudger, des 1. Bischofs von Münster (805
- 809). Die ersten drei Bischöfe von Münster entstammten aus der
Friesenfamilie. Gerburgis, die Schwester des hl. Liudger, gründete
das Kloster in Nottuln. Es gibt Pflanzen, die besonders gut auf
mageren Boden wachsen, so gedeihen kirchliche Berufe auch häufiger
in Familien, die nicht im Wohlstand leben. Es gibt aber auch Ausnahmen,
der Geist weht, wo er will! Aloys, der älteste Bruder von Klemens
wurde Missionar. Er lebte 30 Jahre als Steyler Bruder in Neuguinea
bei den Papuas. In Australien besuchte er ein Lehrerseminar, das
war für seine große Missionsstation sehr wichtig. Klemens erzählt:
Aloys war ein sehr lebendiger und fortschrittlicher Missionar.
Der Bischof von Neuguinea, der "fliegende" Bischof Arkfeld hat
uns einmal besucht. Er nannte unseren Bruder Aloys seinen persönlichen
Freund. |
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15 - Diakon Aloys, I 1989 beim Heimaturlaub
Klara, eine Schwester von Klemens, wurde Ordensfrau und seine
Schwester Agnes Pastoralrefercntin im
Bistum Hildesheim.
"Paul, der ein Jahr jünger als ich war und jetzt schon tot ist,
war lange stellvertretender Vorsitzender des Kirchenvorstandes
in Wesel zu den Heiligen Engeln, die rechte Hand des Pastors.
In der katholischen Jugendarbeit war unsere Familie, meine Schwester
und ich, immer sehr aktiv. Wir haben das Vereinsleben der katholischen
Jugend sehr geprägt. Ein Bruder gründete die Pfadfinder, zwei
Brüder wurden Kolping-Senioren. Einige Brüder waren im Kirchenvorstand
und im Pfarrgemeinderat. Dem Kaplan haben wir, meine Geschwister
und ich, die Bude eingerannt. Wir waren dauernd im Pfarrheim,
im Jugendheim oder unterwegs zu den Gruppen. Meine Geschwister
hatten alle eine Jugendgruppe," erzählte Klemens. Ein halbes Jahr
vor dem Abitur stand bei Klemens fest, dass er Priester werden
wollte und er sagte es seinem Vater. Dieser war wohl sehr erfreut
und sagte: "Wie hat unsere Familie das verdient? Dein Priesterberuf
ist ein Geschenk des Himmels." Der Vater erzählte es sofort der
Mutter. Die nahm ihn beiseite und fragte, ist es wirklich wahr,
dass Du Priester werden willst? Sie war erstaunt, weil Klemens
kein "Betbruder" war, sondern ein lebensfroher junger Mann, der
immer zu Streichen und Späßen aufgelegt war. Doch bevor er ins
Borromaeeum (Priesterseminar) nach Münster ging, nahmen die Eltern
ihn ins Nebenzimmer. Klemens erzählt: "Meine Eltern fragten mich
sehr ernsthaft, ob ich mir das gut überlegt hätte. |
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Auch fragten sie mich zu meiner Überraschung, ob ich mich von
ihnen gedrängt fühlte, Priester zu werden. Später habe ich von
meinem ältesten Bruder Aloys gehört, dass meine Eltern es mit
ihm in der gleichen Weise getan hätten. Meine Eltern wollten sicher
sein, dass meine Entscheidung ganz freiwillig getroffen wurde.
Ich weiß noch, dass mein Vater mir sagte: "Bezahlen kann ich dir
das nicht!' Ich bin dann auch in allen Ferien entweder in Schermbeck
zum Arbeiten in die Ziegelei gegangen oder nach Bottrop zur Zeche
für Untertagearbeit und habe so mein Studiengeld verdient." |
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3. Die Zeit als Theologiestudent Im Jahre 1951 trat Klemens
Niermann ins Collegium Borromaeum ein und begann sein Theologiestudium.
Zunächst empfand er das große Haus am Domplatz ganz angenehm.
Doch spürte er sehr bald, dass der Direktor des Hauses, Wilhelm
Delbeck, die Gemeinschaft der Studenten sehr zentral regierte
und auch kontrollierte. Vom Zimmer des Direktors waren alle Fenster
der Studenten einsehbar. So entging es ihm nicht, dass Klemens
einmal sehr spät ins Haus kam und einmal um 23 Uhr noch die Schreibtischlampe
brannte. Die Hausordnung sah vor, dass alle Studenten um 22 Uhr
schlafen gehen mussten, denn morgens um 5.30 Uhr hatten alle aufzustehen,
um danach dem Gottesdienst in der Kapelle beizuwohnen. Der Direktor
ließ Klemens rufen und fragte ihn sehr ernsthaft, ob er wohl wegen
des Ungehorsams noch geeignet sei, Priester zu werden. Wegen der
scharfen Zensuren erfanden wir ein 11. Gebot: Lass dich nicht
erwischen!
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Innerhalb der Klostermauern waren Äbte Alleinherrscher. Das hat
sich in den letzten 40 Jahren grundlegend geändert. Äbte müssen
heute geistliche Väter ihrer Gemeinschaften sein, müssen auf die
Mönche zugehen, müssen ihnen Freiheiten einräumen, müssen sie
gewinnen können. Fs reicht nicht mehr, vom Schreibtisch Vorschriften
zu erlassen. Die Menschenführung ist in den Klöstern sehr viel
schwieriger geworden. Sie verlangt eine ganz andere Art von Autorität.
In der Zeit, da Klemens und ich im Boromaeum waren, haben wir
von diesem Geist, der überfällig war, noch nichts gespürt. Für
Klemens sollte es später noch viel größere Gehorsamsproben geben.
Natürlich musste man im Borromaeum auch für Kost und Wohnung bezahlen.
Aber Klemens erhielt, da er das Geld nicht aufbringen konnte,
ein zinsloses Darlehen. Später zahlte er alles auf Heller und
Pfennig zurück. Im Jahre 1952, nach dem 2. Theologiesemester,
machte er allein eine Wallfahrt nach Lourdes. Bei dieser Reise
tat er etwas, was typisch für sein ganzes Leben war: Er fand einen
guten Grund, sich einmal über kirchliche Vorschriften hinwegzusetzen.
Grundsätzliche Vorschriften der Moral respektierte er immer. Klemens
berichtet: "Ich fuhr per Anhalter durch Belgien und Frankreich,
drei Wochen lang. In der letzten Nacht bin ich von Tarabes nach
Lourdes zu Fuß gegangen, so etwa vier bis fünf Stunden. Als ich
morgens in Lourdes ankam, wollte ich natürlich zur hl. Messe und
zur Kommunion gehen, aber ich hatte aus Versehen einen Apfel gegessen.
Man durfte damals nicht zur Kommunion gehen, wenn man etwas gegessen
hatte. Damals war das streng verboten. Ich fand das unsinnig,
dass ich am Höhepunkt meiner Wallfahrt nicht zur Kommunion gehen
durfte. Da habe ich noch einen zweiten Apfel gegessen und bin
dann zur hl. Kommunion gegangen. Seit der Zeit fühle ich mich
frei von dem Zwang unsinniger Vorschriften." |
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Solch eine Freiheit im Denken und Handeln ist risikoreich. Klemens
handelt in Lourdes ähnlich wie Jesus und seine Jünger in Israel,
als sie sich am Sabbat über ein pingeliges Gebot hinwegsetzten,
aus Hunger Ähren rupften und die Körner aßen. Für Klemens war
aber diese innere Freiheit wichtig, Konflikte in seinem späteren
Priesterleben waren vorprogrammiert. Er wusste darum und scheute
den Kampf nicht. Noch eine weitere wichtige Erfahrung konnte
Klemens in Lourdes machen. An dem Wallfahrtsort erlebte er,
wie die Verehrung von Jesus und seiner Mutter eng verzahnt war,
eine organische Einheit bildete. Das erkannte er in den festlichen
Messen und in den eucharistischen Prozessionen. Der hl. Grigmion
von Monfort war der Meinung, dass die Gottesmutter am Ende der
Tage stärker hervortreten werde. Wir wissen nicht, ob wir in
einer Endzeit leben, aber sicher in einer endzeit-ähnlichen
Zeit. Klemens, der in allen Dingen der Zeit voraus war, hatte
auch dies erkannt. So stellte er in der Krankenhauskapelle in
Ibbenbüren ein Bild der Stalingrad-Madonna in Lebensgröße neben
den Altar. Auch im Rosenkranzgebet begegnet uns die enge Einheit
von Jesus und Maria. Bei den Gesetzen schauen wir die Geheimnisse
unserer Erlösung in Christus mit den Augen der Gottesmutter.
Den Rosenkranz betete Klemens regelmäßig und empfahl ihn auch
für unsere Zeit.
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4
. Pilgerreise nach Jerusalem Im Jahre 1955, nach dem Hauptexamen
in der Theologie planten Klemens Niermann und sein Freund Alfons
Niemöller (Stuttgart) eine Reise nach Jerusalem. Der Freund
aber war verhindert, da jemand aus seiner Familie starb. Die
Eltern von Klemens wussten von der Wallfahrt nichts und waren
höchst erstaunt, als sie nach Wochen von ihm eine Karte aus
Jerusalem erhielten. Klemens erinnerte sich: "So bin ich allein
per Anhalter nach Jerusalem gefahren.
20 Das war, wenn ich zurückdenke, die erlebnisreichste Reise,
die ich je gemacht habe, voller Abenteuer. Ich hatte nicht genügend
Geld, um hin- und zurückzukommen, und so musste ich umsonst
nach Jerusalem gelangen. Das ging zuerst per Anhalter über die
Schweiz nach Italien, dann ließ ich mich nach Griechenland übersetzen,
dann weiter durch den Peloponnes per Anhalter, dann von Piräus
zur Insel Chios, mit dem Böötchen ans Festland nach lzmir, dann
per Anhalter bis Ankara, hinunter nach Aleppo in Syrien, von
dort nach Damaskus und dann mit dem Bus durch die syrische Wüste
bis nach Amman, schließlich mit dem Bus bis nach Jericho und
dann zu Fuß nach Jerusalem. Ich wollte unbedingt in das Land,
in dem Jesus gelebt hat, unbedingt! Eine andere Möglichkeit,
ins Heilige Land zu kommen, gab es damals wohl kaum. Israel
war zu für Deutsche, Deutsche durften nur nach Jordanien, nicht
nach Israel. Auch vom Borromaeum und vom Priesterseminar war
niemand in Israel gewesen. Aber ich wollte unbedingt dahin,
und bin auch dahin gekommen. In Jerusalem, im Osten, damals
Jordanien, da gab es eine strenge Mauer zwischen Ost- und Westjordanien.
Dort traf ich einen Benediktinerpater, Pater Paul Mehl. Dieser
hat mir eine Einreise nach Jerusalem ermöglicht, weil er Kontakt
hatte mit dem damaligen Religionsminister Dr. Kolb. Der war
ein deutscher Jude. Ich kannte ihn nicht, der hat mir das ermöglicht,
aber das war eine Ausnahme. Er behauptete, ich sei der dritte
Deutsche, dem damals eine Einreise ermöglicht wurde. So kam
ich, ich weiß noch, Ostermontag 1955 über die Mandelbaumtor-Grenze
nach Jerusalem und war dann Gast bei den Benediktinern auf dem
Sion. Pater Paul Mehl und der Abt Rudloff empfingen mich mit
Brot und Salz. Ich fuhr dann nach Haifa, weil ich unbedingt
am 1. Mai im Priesterseminar sein musste. In Haifa lag zum ersten
Mal ein deutsches Schiff vor Anker und brachte Reparationsleistungen
-Krupp'sche Motoren oder Maschinen. Alle deutschen Schiffe mussten
vor der Hafeneinfahrt ankern, und dann wurde umgeladen.
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21 ich weiß noch, wie ich hinüberrief:
"Könnt ihr mich nach Deutschland mitnehmen?" Ich wurde von der
Polizei sofort weggetrieben. Es war auch alles abgesperrt und
die Matrosen durften nicht an Land. Dann habe ich doch noch
eine Heuer bekommen, eine Überfahrt bis Piräus/Athen. In Piräus
kaufte ich im von der letzten Drachme oder demn letzten Dollar,
ich weiß nicht mehr, wie viel Geld ich noch hatte, eine Fahrkarte
bis Klagenfurt. Diese Bahnfahrt dauert heute 35 Stunden. Ich
hatte noch ein paar Drachmen in der Tasche, von denen habe ich
mir, das weiß ich wohl noch - Apfelsinen gekauft und dann besaß
ich keinen Pfennig Geld mehr". Klemens erzählte mir von einem
schönen Erlebnis in Israel: "In einer Nacht schlief ich auf
dem Ölberg im Freien. Beim Erwachen ging gerade die Sonne über
Jerusalem auf. Da fühlte ich mich wie nie zuvor in meinem Leben
frei und froh und spürte die Nähe des auferstandenen Christus.
Ich dachte an die Frauen, die am Ostermorgen, als gerade die
Sonne aufging, zum Grabe Jesu eilten, um den Leichnam zu salben,
und die Engel versicherten ihnen, Jesus ist auferstanden, er
lebt!" Die Pilgerreise von Klemens hatte noch ein Nachspiel.
Ein Bekannter vom Regens des Priesterseminars traf Klemens auf
der Rückseite von Jerusalem und berichtete dem Regens von der
abenteuerlichen Pilgerreise seines Theologiestudenten. Er habe
ausgesehen wie ein Landstreicher. Der Regens erzürnte, ließ
Klemens rufen und machte ihm große Vorwürfe, dass er sein Leben
und seine Gesundheit so leichtfertig aufs Spiel gesetzt habe.
Doch dann lächelte er und meinte, er habe Riesenglück gehabt.
Der Regens war klug genug, um, wie man sagt, fünf grade sein
zu lassen, und die Sache war damit erledigt. Hätte der Regens
Klemens wegen dieser Sache vom Seminar verwiesen, wäre es für
die Kirche in Ibbenbüren und darüber hinaus von großem Schaden
gewesen. Am 16. März 1957 wurde Klemens von Dr. Michael Keller
im Dom zum Priester geweiht ....
Auszug aus dem Buch ."Ein bisschen mehr Klemens"
Das Heldenhafte Leben von Pastor Klemens Niermann Von Pastor
Werner Heukamp
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Bild oben, Ibbenbüren - Oberer Markt
um 1930 - Sammlung Suer (Merseburger)
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© Förderverein Stadtmuseum Ibbenbüren
e. V.
Breite Straße 9 - 49477 Ibbenbüren
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